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Die gelben Bänke von Wilmersdorf und Schöneberg

Manche Dinge sind an manchen Orten anders. Sie wirken anders, lösen anderes aus, so wie die gelben Bänke in der Umgebung des Volksparkes Wilmersdorf. Und so ist dies vor allem ein Text über ein subjektives Gefühl, über Subjektivität überhaupt.
Die gelben Bänke von „Hannover nimmt Platz“ im letzten Sommer lösten in mir nichts weiter aus, als Interesse an diesem Projekt. Kein Gefühl jedweder Art wie in den Wochen, seit ich die strahlendgelben Möbel das erste Mal in Berlin entdeckte, gleich da am Innsbrucker Platz. Drei knall leuchtend Tiefgelbe, dazwischen eine im verblichen verdreckt was auch immer ehemals jetzt berliner Einerlei. Seltsam war das, dieses Gefühl, dieses Stutzen. Seit wann passiert so etwas? Dann weiter zum Park. Da, die Straße entlang: Wieder knallend, ins Auge stechend. Vermutlich fröhlich sollen sie sein, gute Stimmung verbreiten in diesem grauen regnerischen Berliner Winter. Durchaus nötig, unwidersprochen. Doch da war nicht dieses freudige Farbengefühl in mir, nichts, was mich sonst so gut tragen kann durch dieses andere oft so unerträgliche Berlin. Da war ein Unwohlsein mit diesen Bänken selbst. Ein unbestimmtes zunächst nur flüchtiges Gefühl. So eines, dass ich dort nicht sitzen möchte. Nur so ein Gedanke, ganz kurz, eher unterbewusst, schwer zu schildern. Denn wann, ja wann denke ich überhaupt darüber nach, auf Parkbänken zu sitzen, im Winter dazu? Kein Gedanke mehr daran. Doch das Gefühl. Es verflog nicht. Die Bänke leuchteten mir bei jeder Begegnung wieder in meine Nachdenken. Die Empfindung, sie blieb und nicht nur im Unbewussten. Sie wurde stärker und drang ins Bewusste, wurde zur Vermutung, dass da etwas seltsam ist. Ich versuchte, ihn einzuordnen diesen Einfall. Seit wann mache ich mir Gedanken über Parkbänke bitteschön? War das also eine Kunstaktion? Ich schaute nach einem Schild? Nichts. Dazu waren es auch zu viele Bänke.

Gestern wurde der Gedanke in das richtige Schubfach meines Gehirns geschoben, ganz plötzlich, als ich wieder an einer dieser Bänke vorbei ging. Das wohl ist es, was die Subjektivität, das merkwürdige Gefühl, all das, was diese eigenartige Empfindungen, die mich die letzten Wochen erst nur zaghaft, dann immer stärker begleiteten am besten beschrieb. Da auf einmal machte es klack! War es der Bezirk, der die Assoziation entstehen ließ, der in Hannover nicht zustande kam, weil es nicht meine Stadt war? War es die Stadt an sich und weil in meinem Heimatbezirk, die Bänke mit Sicherheit keine leuchtend hellen Farben tragen können? Wie dem auch sei.

Die gelben Bänke von Wilmersdorf und Schöneberg
Eine der Tafeln des Denkmals im Bayerischen Viertel in Berlin.

Irgendwo hatte ich abgespeichert, dass manche Städte – und darunter eben wohl auch Berlin, Bänke, die ihre jüdischen Bürger:innen noch nutzen dürfen gelb strichen, „Judenbänke“ genannt. Daher mein subjektives seltsames unterbewusstes Gefühl. Vor zehn Jahren wurde eine solche Bank vor dem ehemaligen „jüdischen Arbeitsamt“ in der Fontanepromenade, Spitzname „Schikanepromenade“ installiert. Vor ein paar Jahren, als das Haus längst privat war, wurde versucht, diese Bank als permanentes Erinnerungszeichen an den Ort aufzustellen. Ich weiß nicht mehr, ob es gelang. Doch eigentlich, worauf ich hinauswill: Die Geschichte gelber Bänke sollte bekannt sein in Berlin? Die Bänke stehen nur ein paar Metern vom Rathaus Schöneberg entfernt, dem Ort der Ausstellung „Wir waren Nachbarn„. Ach und dann… ich hatte doch auch nur dieses subjektive Gefühl…

Die gelben Bänke von Wilmersdorf und Schöneberg
Schild in einem Berliner Park: „Die gelben Bänke sind für Juden“ darüber ein Schild „Bürger schont Eure Anlagen. Führt Eure Hunde an der Leine.“

Doch aus diesem Gefühl, da wurde ein Gedanke und aus dem Gedanke wurde mehr, ein Nachdenken, ein Nachschlagen und ein, das geht doch nicht, das könnt ihr nicht machen und das Unwohlsein bleibt. Es kann eben nicht überschrieben werden. Gelbe Bänke sind nicht überschreibbar mit anderen Geschichten, nicht in Berlin. So grau kann kein Winter sein.

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