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Die Tage zählen

Es ist seltsam, wie sich Dinge einschleichen im Leben, ohne sich dessen bewusst zu werden. Pessach rannte vorbei, wurde abgearbeitet sozusagen und jetzt in dieser Zwischenzeit bis Schawuot merke ich, dass sich ein Ritual in mein Leben, das doch so wenig ritualisiert ist, eingeschlichen hat und mir nicht so bewusst war: das Omerzählen.

Vermutlich ist es die Struktur, die es den Wochen geben kann. Irgendwann ploppte vor ein paar Wochen ein Update meiner Omerapp auf. Ah, es ist bald wieder so weit. Ja, natürlich. Omer zählen ist jedes Jahr. Die App ist das ganze Jahr auf meinem Handy dabei und kann erinnern. Ich denke über die Tage nach, allerdings weniger über die Anregungen im Omerkalender selbst. Ich denke über Tage nach, wie wertvoll sie sind. Das ist mir bewusster während dieser Wochen und Tage im Jahr. 2021 dachte ich in der Pandemie bereits über das Omerzählen nach. Das Nachdenken ist geblieben. Im vergangenen Jahr mochte ich sehr die kleinen einfachen Bilder von Schumzoom auf Instagram und die kurzen Gedanken dazu. In diesem Jahr freue ich mich sehr, dass Hannah ihren ganz eigenen Omerkalender in Videos anbietet und Schumzoom sie jetzt auch teilt. Es ist besonders schön, Hannah so wiederzusehen und wieder Kontakt zu haben. So entdecke ich inzwischen jedes Jahr neue Kalender, neue und alte Zählungen, Bücher, Kalender – wie auch z.B. der historische Kalender, aus dem das obere Bild stammt.

Und während ist dies hier schreibe, versuche ich eine Antwort zu finden, warum diese Zeit so sehr wichtig für mich wird? Ich weiß es nicht, ich wundere mich und freue mich darauf. Ich nutze so jeden Tag etwas anders, ich bleibe nicht bei einem und erhalte so ganz unterschiedliche Inspirationen. Die Tage haben Bedeutung, ganz eigene Bedeutung und Gewicht, und vielleicht ist es so etwas wie eine Meditation ohne Stille? Meditieren über einen Tag, eine Zahl, einen Namen, einen Gedanken? Ja, vielleicht ist es das. Es ist überschaubar. Man erhält keine Preise, es gibt keine Meilensteine. Man zählt, oder tut es nicht. Es sind 49 Tage, dann ist es vorbei. 49 Tage, die ganz unbeachtet für die Menschen vorbeigehen. 49 Tage, in denen aus dem Winter Frühling und manchmal auch Sommer wird. 49 Tage, die ändern können. 49 Tage, die man allein beschreiten kann, in denen kein Minjan, keine Gruppe gebraucht wird. 49 Tage der Stille – wenn man will. 49 Tage, die anders sein können. Heute ist einer davon.


Bild: Ein Sefirat ha-Omer-Büchlein („Zählen des Omer“) um 1800 Zürich, Sammlung Braginsky, B327, f. 47r


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