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Der Junge mit dem Drachen

„Ich war in der Stadt und sah Menschen. Ein Junge mit einer dünnen Leine in seiner Hand, ein Stück Pappe daran. Er rannte damit, hoffend, es würde fliegen wie ein Drache. Alles auf dem Feld hier vor dem Tor. Er spielte mit seinem Drachen…neben dem Hinrichtungsplatz. Heute saß dort zum Glück nur ein afrikanischer Seeadler – saß dort und schaute.

Welch ein Kontrast. Der glückliche spielende Junge und der Hinrichtungsplatz auf dem her rannte.

Die Menschen leben hier ihre normalen Leben. Kinder spielen. Mädchen tuscheln miteinander. Ein Junge mit seinem Drachen….ich wünschte, ich könnte all das fotografieren, um sie zu zeigen. Das Leben. Zeigen, dass es nicht nur Extremisten und Selbstmordattentäter gibt.“

Ein Brief aus einer anderen Welt. Ich bekomme einige dieser Briefe, seit einem Jahr. Ein Mensch, der das Leben anderer bessern will und so oft verzweifelt ist wegen der europäischen Bürokratie und Ignoranz. Verzweifelt ob der Menschen, die dorthin gingen und nie einen Fuß vor das Tor setzen, um mit den Menschen dahinter zu reden, ihnen zuzuhören. Zu hören, wo die Probleme sind, wie man helfen kann. Ein Brief aber, der Hoffnung in sich trägt, für mich. Es sind Menschen wie der Schreiber des Briefes, wie der Junge mit dem Drachen, die mich an das Gute glauben lassen. Menschen, die wirklich wichtig sind und die wir sehen und in den Mittelpunkt stellen sollten. Nicht jene, die von Hass zerfressen sind und nur glücklich sind, wenn andere leiden.

 

Es ist ein neues Jahr. Es ist der 1. Tischri 5779. So viele Jahre. Es fällt schwer, ein Süßes zu wünschen.

שנה טובה ומתוקה

 


photo credit: guilherme cecílio via photopin (license) 

2 Kommentare

  1. Auch mich lässt der Junge mit dem Drachen noch an Gutes glauben, liebe Juna. Ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr.

  2. Karin ohm Karin ohm

    Oh Juna wie sehr Sie das beschreiben, was ich täglich fühle. Ich kann kaum glauben, wie Hass und Aggressionen ans Tageslicht kommen, die unterschwellig wohl immer schon schlummerten. Es tut so gut, wenn Menschen aufstehen und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kämpfen. Ist es der Neid, weil jüdische Menschen mit Fleiß, Intelligenz und Geschäftstüchtigkeit erfolgreicher sind? Mein Vater war Halbjude und hat im 2. Weltkrieg so viel Angst vor Entdeckung gehabt. Das erfuhr ich erst als ich über 30 war. Er war unehelich geboren, hat den jüdischen Vater nie kennengelernt und hat seine Herkunft verschweigen müssen. Seit 18 Jahren folge ich diesen Spuren

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