Zum Inhalt springen

Mit Profis reden – oder zuhören: Der Podcast Plapperbu:de

Wer auf Twitter unterwegs ist, kennt das Phänomen: Menschen, die denken, sie wissen Sachen besser als Profis, die sie belehren und Fakten beiseite fegen. Letzteres spielt, wie wir alle immer mehr erfahren, offensichtlich immer weniger eine Rolle. Dennoch, wir scheinen in einer Welt zu leben, in der wir denken, wir wissen alles und Spezialisten braucht es nicht. Man fragt nicht nach, liest nicht nach, macht sich sein eigenes Bild aus z.T. recht fragwürdigen Quellen.

Fachbücher lesen ist dröge und oft auch teuer. Fachpersonen finden, die Dinge gut erklären können ist schwer. Hat man sie im Freundeskreis lässt man sie lieber in Ruhe, Arbeit ist Arbeit. So zumindest geht es mir. Das es auch sehr anders geht zeigen Podcasts wie Methodisch inkorrekt, Zeitsprung, Déjà-vu Geschichte, Filterbabbel und viele andere auch im deutschsprachigen Raum. Eine noch offene Lücke wird nun seit Februar von Homer gefüllt und schnell hat er sich zu einem meiner Lieblingspodcasts entwickelt.

Zur Vorgeschichte, ich kenne Homer von Mastodon. Dieses wunderbare dezentrale Netzwerk, in dem man sich noch freundlich und zuvorkommend begegnet, sich hilft und Hetzer einfach rausgeschmissen werden (können). Ein Hort der Menschenfreundlichkeit und Zugewandtheit, eine Oase. Irgendwann dann saßen Homer und Charlie in einer meiner ersten Lesungen – ich erfuhr erst später, wer sie waren. Homer, ich habe Dir nie wirklicht gedankt, für Deinen Widerspruch in der anschließenden Diskussion, die etwas entglitt. Damals wusste ich noch nicht, wie selten es sein würde, wie wenig Widerspruch ich erleben würde bei so alltäglichen Rassismen, Vorurteilen und althergebrachten Stereotypen bis Antisemitismen – selbstreflektiert oder nicht. Letztlich: wie selten ich Unterstützung aus Publikumsreihen bekommen würde. Damals warst Du, Ihr beide, wirklich sehr wichtig für mich und Ihr seid es geblieben.

Ein paar Monate später dann ging die Plapperbu:de online. Die Selbstbeschreibung des Podcasts lautet:

Plappern und Plaudern für die Emanzipation

Plapperbude ist ein Blogging- und Podcasting-Projekt, das sich vorwiegend mit emanzipatorischen Themen befassen soll. Psychologie, Psychotherapie, Autonomie und Abhängigkeit im „Digitalen Zeitalter“, soziale und emanzipatorische Bewegungen – alles, was uns interessiert und für das sich Gesprächspartner*innen hergeben, kann dazugehören.

Für mich persönlich ist es hauptsächlich dieses: Profis zuhören. Homer hat Psychologie studiert, arbeitet in eigener Praxis. Es gibt keine Folge, in der ich nicht viel gelernt habe, besser verstand und durch ihn mein Umfeld oder mein eigenes sein besser verstehen konnte. Die bisherigen Folgen galten thematisch Traumafolgestörungen, Wirksamkeit von Antidepressiva, Erziehung und Elternschaft mit Julia Schmeer (ich hoffe auf mehr Folgen mit Julia!) und ganz aktuell die Psychologie der Alternativmedizin.
Was man bei Homer nicht findet: Lehrbuchwiedergabe. Er hinterfragt, hinterfragt scheinbar alles und vor allem sich selbst. Er tut nicht so, als wäre er schon immer gewesen wie er heute ist, er spricht über vergangene Fehler und Trugschlüsse. Homer appelliert, dass man nicht verurteilen soll, sondern immer wieder fragen, warum Menschen denken, was sie denken. Auch das kommt heute viel zu kurz. Das diesen Podcast trotz aller Wissenschaft zu etwas sehr persönlichem und auch zu einem „hinter die Kulissen“- Blick einer psychotherapeutischen Praxis.

Die nicht sehr kurzen Folgen kann man problemlos in Teilen hören. Aber auch am Stück verliert man dank einer wunderbaren Stimme kein Stück der Konzentration. Die Plapperbu:de ist in jeder Hinsicht eine Bereicherung und kann nur ans Herz gelegt werden – auch, wenn man denkt, man interessiere sich nicht für Psychologie.

Problem: Zum Glück kann man Podcasts überall hören und runterladen, denn einen Haken hat die Sache: Homer, warum wohnst Du so verdammt weit weg?


Eine kleine Auswahl meiner Podcastliste (ja, sie ist viel länger) findet man gern hier mit herzlicher Empfehlung.


photo credit: MeymiGrou A Microphone in a Music Studio via photopin (license) 

3 Kommentare

  1. Danke, Du hast meine Neugier geweckt. Ich bin so altmodisch, dass ich noch lieber lese. als höre.

    • Ich lese auch sehr sehr gern und vielleicht auch lieber. Seit ich aber nicht mehr mit der Bahn zur Arbeit muss, ist die Lesezeit etwas eingeschränkt und hören passt besser.

  2. Danke für den Tipp – Homer kann ich wirklich supergut zuhören :-) Generell lese ich auch lieber, aber schon von Kindesbeinen an höre ich gerne bei den Hausarbeiten Hörspiele, und das hält sich bis heute: Wenn ich programmiere, darf mir gern jemand etwas erzählen – und wenn ich mich bei der Arbeit doch mal etwas mehr konzentrieren muss, kann ich einfach zurückspulen :-) Seinen aktuellen Podcast zur Alternativmedizin fand ich sehr erhellend – nicht wirklich viel Neues, aber hervorragend strukturiert und aufbereitet – und natürlich kann man seine Ideen und Erkenntnisse auf die meisten Themen übertragen, die heute in der Regel eher mit Meinung als mit Wissen diskutiert werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert