Ausstellung und Buch: Julius Frank. Eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika

Ein sepiafarbenes Schwarz-Weiß-foto. Darauf ein Fluss, leicht gebogen dem Fotografen entgegen. Links und rechts Schilf. Auf dem Fluss zwei alte kleine Segelboote mit rechteckigem Segel.

Es ist eine Geschichte von vielen. Einer (jüdischen) Familie gelingt die Flucht ins Überleben. Ihren Besitz und Erbe mussten sie weit unter Wert verkaufen und zurücklassen. Nach dem Krieg versuchen sie etwas dieses Unrechts entschädigt zu bekommen – und werden von deutschen Behörden und Profiteuren abgewiesen. Die Geschichte Julius Frank. Eine deutsch-jüdische Geschichte.

Das deutsche Nachkriegsschweigen ließ die Geschichten dieser Familien in Vergessenheit geraten und nur manchmal, wie vor einigen Jahren in Lilienthal bei Bremen taucht sie auf. Nicht, weil sich jemand an sie erinnert, sondern weil das Tagebuch des örtlichen Lehrers auftauchte. In ihm konnte der lokale Geschichtsverein von den Repressalien der befreundeten Familie Frank lesen. Die Fotografen des Ortes – seit Generationen. Und mit ihm begann die Frage: Wer war Julius Frank?

Derzeit und noch bis zum 26. Februar zeigt das Bremer Focke Museum die Ausstellung „Julius Frank – Eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika“. Bis es zu dieser Ausstellung kam, musste vieles zusammen kommen. Zufälle und – man kann es nicht anders sagen: Großzügigkeit.

Der Geschichtsverein Lilienthals suchte nach Nachfahren der lilienthaler Franks und fand sie in den USA. Eine erste kleine Ausstellung konnte unter Beisein der Hinterbliebenen des letzten Fotografen der Familie gezeigt werden. Die Familie entschied sich, den fotografischen Nachlass wieder nach Hause zurückkehren zu lassen. Was fehlt, sind allerdings die wichtigen Negative, die bei Auswanderung zurückgelassen werden mussten und zum Verkauf des Hauses und Geschäfts an den Ariseur gehörten. Darunter auch ein Verlag für Heimatbilder. Niemand weiß heute, was mit ihnen geschah. Doch was mit der Atelierausstattung geschah, ist bekannt und hier kommt das Focke-Museum selbst ins Spiel. Man fand heraus, dass große Teile der Ausstattung bereits im Besitz des Hauses sind – ohne zu wissen, dass sie Teile einer Arisierung waren. Die Witwe des Profiteurs Fritz Hahn überließ sie in den 80er Jahren dem Museum. Auch sie schwieg – natürlich – über die Geschichte der Gegenstände.

All dies kann man in angemessener Ausführlichkeit, ungeschwärzt dem Vorwort zum Katalog zur Ausstellung – und sicher auch in der Ausstellung – entnehmen.

Der großformatige Ausstellungskatalog, der, was mein Herz erfreute, sogar mit Leseband versehen ist, zeigt weiterhin Abbildungen von Originalabzügen vom Beginn der Fotografenfamilie bis ins Jahr 1936, hier die Bilder, die wohl Grundlage des „Heimatverlages“ wurden: Worpswede und Teufelsmoor. Die nächste Generation ging auf Reisen und machte Bilder in Deutschland und ab 1938 sehen wir 20 Jahre fotografischer Entwicklung in den USA bis 1959 und der Abbildung moderner Architektur. Julius Frank konnte zwar in den Staaten weiter in seinem Beruf arbeiten – allerdings nie wieder selbstständig. Dennoch sieht man sein Streben nach Weiterentwicklung und vermutlich auch den Wunsch nach einem eigenen Atelier.
Es ist eine Reise durch die Geschichte der Fotografie und manches Bild, besonders aus der Anfangszeit ist auch heute noch dem fotointeressierten Menschen bekannt. Auch hier fast eine klassische Geschichte: Fotografien, die für Bücher auf dem Cover oder als Illustration verwendet wurden, wurden nicht entfernt – nur der Name des Fotografen.

Auf etwa 800 Fotografien kann das Focke Museum heute zurückgreifen, von den Erben der Familie wieder nach Deutschland gegeben. Vertrauen und Großzügigkeit. Der Zauber der Ausstellung – und des Katalogs – liegt für mich darin, dass sie original Abzüge verwenden können. Zudem aber auch, quasi ganz nebenher, dargestellt wird, welchen Unterschied, die Methoden der Vergrößerung und der Papierauswahl machen und machten. Dinge, die dem digitaltrainierten Auge heute kaum noch bekannt sind. So werden klassische Abzüge denen, die im Bromöldruckverfahren hergestellt wurden gegenüber gestellt. Zudem lernen wir, dass Julius Frank mit seinen sepiafarbenen Abzügen in den USA gerade deshalb erfolgreich war – seine spezielle Farbe war dort bisher ungenutzt und gab Rätsel auf. Auch die Bilder aus der vermeintlich heilen europäischen Welt, die romantisiert auf eine Vergangenheit blickte, die die Ahnen vieler US-Amerikaner:innen nicht ohne triftigen und wenig romantischen Grund zurückließen, ermöglichten etwas Einkommen.

Man kann die Geschichte der Familie als eine mit etwas Happy End beschreiben, anders als die der Hess Schwestern. Um so wichtiger, dass wir mehr und mehr Gelegenheit haben, unserer verschwiegenes, vergessenes (fotografisches) Erbe endlich wiederentdecken können.

Fazit: Wer Gelegenheit hat, die Ausstellung im Focke-Museum selbst zu besuchen, dem würde ich sie sehr ans Herz legen. Sei es aus regionalhistorischem oder fotografischem Interesse. Wer dazu derzeit nicht in der Lage ist, dem lege ich den Katalog als eine Bereicherung der eigenen Bibliothek nahe. Es lohnt sich.


Blick in die Ausstellung im Focke Museum. Foto: Martin Luther – Focke Museum Bremen

Julius Frank. Eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika
9. November 2022 bis 26. Februar 2023
Focke-Museum
Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
https://www.focke-museum.de/


Katalog:
Herausgeber/-in Focke Museum | Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Julius Frank
Eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika
160 Seiten
130 Abbildungen
Hardcover mit Fadenheftung und Lesebändchen
Format 23,8 x 30 cm
Dölling und Galitz Verlag GmbH
München • Hamburg
ISBN 13: 978-3-86218-160-5
32.00 €


Disclaimer: Ich habe den Katalog freundlicherweise auf Nachfrage vom Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Es besteht keine Verpflichtung, etwas über die Publikation zu veröffentlichen.


Foto: Torfschiffe auf der Hamme – Moor Boat, Julius Frank


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