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„Karl Marx und der Kapitalismus“ im DHM

Das Deutsche Historische Museum widmet in diesem Jahr zwei Ausstellung großen deutschen Antisemiten. Ein Blick in die erste von beiden: Karl Marx und der Kapitalismus

Ich habe damit gehadert, ob ich etwas schreiben solle, denn zufrieden bin ich nicht dafür im Zwiespalt, das trifft es wohl besser. Dennoch denke ich, es ist wichtig einen anderen Blick auf eine Ausstellung zu werfen, die eine Popikone der neueren Zeit porträtieren will.

Marx‘ Antisemitismus (klar, dass das kommen muss)

In mehrere Kapitel bzw. Inseln, wie sie genannt werden, sind verschiedene Themen und Lebensabschnitte Marx‘ vorgestellt. Sein Antisemitismus recht prominent weit am Beginn und im Verhältnis recht ausführlich. Im Kapitel geht um die „Judenemanzipation“, um seine Sicht auf Religion allgemein – und eben seinen Antisemitismus, den er hinlänglich kund tat. Und ehe Sie einwerfen wollen, dass er selbst Jude gewesen sei. Marx konvertierte nachdem Trier Preußen zugeschlagen wurde zum Protestantismus, um weiter als Anwalt arbeiten zu dürfen. Ein klassischer Weg. Vielleicht lag hier etwas Überanpassung vor? Das hätte mich wirklich interessiert. In der Ausstellung werden diverse Schriften vorgestellt und betont, dass er sich nur am Beginn seiner Publikationstätigkeit antisemitisch geäußert habe. Nun ja, er hat es auch nicht zurückgenommen und hat weiterhin andere Antisemiten mit ihren Gedanken zum Thema veröffentlicht. Auf seine Schriften und vor allem auf diese, werden sich noch Generationen nach ihm beziehen und Jüdinnen und Juden weiter dafür bezahlen. Doch davon findet sich nichts.

Die Ausstellung versucht, Marx in seiner Zeit darzustellen. Sie kündigt an, dass sie „Fragen nach seiner Aktualität“ stelle und einen „kritischen Blick auf die Rezeption seiner Theorien im 20. und 21. Jahrhundert“ werfe. Genau das vermisste ich, allerdings.

Ausstellungsideen

Nicht passend anmutende Objekte locken zum Hinschauen und lesen. Die nur Marxportraits oder Bücher erwarten, wird angenehm überrascht. Wer vermutet schon Pinguine oder ein Schaf in einer Marx-Ausstellung? Das ist sehr erfrischend. Ebenso erfrischend ist es, dass man nicht nur die Augen und das Gehör anregen will, sondern auch den Geruchssinn: Wie riecht Arbeit? Nach Schweiß. Wie riecht ein Forst? Nach Waldboden. Wie riecht Geld? Na, ahnen Sie es? Nach nichts. Sie können sich durch die Ausstellung mittels eigens entwickelter kleiner Klumpen, passend zu den jeweiligen Kapiteln schnuppern. Eine tolle Idee!
Auch vor großen Objekten wie einer Spinning Jenny schreckte man nicht zurück – inklusive Soundkulisse. Zwar können wir uns weiter nicht vorstellen, wie die Arbeitsbedingungen dieser Zeiten waren, doch sehen wir die Maschinen, hören den Lärm und sind, wie ich zumindest, sehr angetan von der Mechanik. Kurz, gestalterisch hat mir die Ausstellung gut gefallen. Spiele sind inzwischen regelmäßiger Bestandteil in Ausstellungen des DHM, nicht nur für Kinder. Auch, wenn man selbst nicht spielt, oder auch pumpt, Luft oder Wasser, wie dieses Mal, Unterhaltung ist garantiert und können mitunter nachdenklich stimmen.

Kritik

Es sind lediglich Schlaglichter auf ein Leben bzw. Wirken sicher. Doch was ich suchte, war genau der kritische Blick, der in den Ausstellungsbeschreibungen angekündigt wird. Zwar findet man zu Beginn ein Bild aus einer vermutlich asiatischen Fabrik und Sneaker als Symbol für das Gegenteil von fairer Arbeit.
Auch wird betont, dass Marx für gleiche Bezahlung für Frauen war, doch eine Stimme sollten sie nicht haben, erfährt man in einem Nebensatz.
Freudig werden zudem Despoten mit Marx-Portraits ohne Einordnung gezeigt, diverse Publikationen Marx‘ Schriften aus verschiedenen Ländern, gar eine dem Museum für Deutsche Geschichte, dem Museumsvorgänger der DDR im Bau, geschenkte Büste und inmitten allem ein Album des Ministeriums für Staatssicherheit mit Marx-Portrait. Was fehlt: Einordnung. Das sind keine lustigen Souveniers aus lustigen Ländern. Das war und ist Legitimation für die Verletzung von Menschenrechten, für Leid und Unterdrückung. Davon oder gar den Auswirkungen Marx‘ antisemitischer Thesen auf Jüdinnen und Juden weltweit bis heute findet man nichts. Nichts zur DDR, die Marxismus zur Staatsraison machte und deren Menschen keinen freien Willen haben durften. Es ist erschreckend bis enttäuschend. Sicher kann man argumentieren, dass Marx damit nichts mehr zu tun habe. Nun, dann dürfte man zeitgenössische Objekte nicht zeigen. Und Marx lässt sich nicht ohne die Konsequenzen seiner Ideen im Guten wie auch im Schlechten erzählen.

Warum ich entgegen meiner Vorsätze dennoch darüber schreibe? Etwas stimmt mich versöhnlich: Auf dem Instagramaccount des DHM setzt sich das Team durchaus kritisch mit einzelnen Themen bzw. den Objekten in der Ausstellung auseinander, auch dem Objekt der Stasi, auseinander. Hier findet man die Hintergrundgeschichten, die ich mir der Ausstellung gewünscht hätte. Denn auch wer gerade wieder Popstar ist, darf und muss kritisch in Folgen und Auswirkungen betrachtet werden. Das fehlt zu sehr. Es ist bei allen guten Ansätzen und bei wichtiger Kapitalismuskritik nicht Teil dieser Ausstellung. Das Museum des Kapitalismus wäre da vielleicht passender, will man sich mit dem Thema Kapitalismus auseinandersetzen und verzichtet lieber auf Personenkult. Es soll, soweit ich hörte, eine Zusammenarbeit gegeben haben. So lange ist die Ausstellung „Karl Marx und der Kapitalismus“ eine Jubelausstellung ohne Jubeljahr. Ob dem Thema damit hinreichend gedient ist?

Dies war nun also der erste Teil. Der zweite Antisemit folgt ab 8. April, parallel: Richard Wagner. Und ja, ich bin ehrlich gespannt und freue mich drauf.

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