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Digitale Teilhabe

Magdalena Smetana schildert in ihrem lesenswerten Blogpost “Digitale Gemeinschaft”, wie sie die Möglichkeiten von digitalen als auch Präsenzg’ttesdiensten schätzt und wie sie (auch) dafür kritisiert wurde:

“Aber manchmal – manchmal will ich bei Vanessa im Wohnzimmer oder bei Birgit in der Küche Gottesdienst oder mit Dietrich Abendmahl feiern. Von meinem Sofa aus. Digital.”

Magdalena Smetana, Digitale Gemeinschaft auf https://medienpfarrerin.blogspot.com/

Mich hat ihr Artikel sehr berührt und ich bin dankbar dafür. Das Thema selbst beschäftigt auch mich seit geraumer Zeit, denn das, was sie in Bezug auf Kirche erlebt, können wir durchaus ausweiten auf andere Glaubensgemeinschaften sowie auf Institutionen wie Museen oder Gedenkstätten (und Schulen, Universitäten etc.). Auch hier höre ich gelegentlich vom Irrglauben, dass digitale Angebote Besucher:innen eher fernhalten würden. Seit Jahren fordern einzelne Vertreter:innen unserer Zunft, dass auch digitale Besucher:innen zählen mögen. In dieser Hinsicht scheint nun (endlich) ein Umdenken bei den geldgebenden Institutionen einzusetzen. Zum Glück ist das in meinem Umfeld anders, die Diskussion dazu gibt es bereits so lange, wie ich mitarbeite, und die Pandemie wird jetzt als Chance gesehen: Mehr Menschen können Angebote wahrnehmen, die sonst nicht hätten dabei sein könnten, sei es aus räumlicher Distanz, Krankheit, Behinderung oder schlicht, weil man zu müde ist, abends hinzufahren, wenn man es wieder darf.

Ich selbst allerdings gehöre zu den Menschen, die Gruppenveranstaltungen meiden. So gehe ich z.B. nicht auf Ausstellungseröffnungen, mich interessiert die Ausstellung – die man bei Eröffnungen meist nicht sieht. Ich ging schon lange in keinen Präsenzg’ttesdienst mehr, da es mich eher anstrengt, als zur Ruhe bringt. Das liegt nicht am Ritus, mehr am Drumherum. Im letzten Jahr war das anders. Vermutlich nahm ich an mehr (digitalen) G’ttesdiensten teil, als die Jahre davor. Ich fühlte mich mehr der globalen Gemeinde verbunden, als es mir lange davor gelang. Ich fühle mich mehr Teil davon.

Auch bei Museen ist es nicht anders. So nutze ich zwar keine Angebote von virtuellen Live-Führungen, wie ich auch sonst keine Führungen nutze, ich freue mich aber durchaus am Aufleben von vielen neuen Social Media Accounts von Häusern, die man bis zu dieser Pandemie höchstens per Website besuchen konnte. Ich höre Museumspodcasts und schaue mit Veranstaltungen an. Meine Museumsliste für „danach“ ist lang und hat nicht nur meine „ich muss wieder hin“-Häuser verzeichnet. Ich habe entdecken können und hoffe, dies weiter zu tun – im Internet.
So auch beim digitalen Engagement der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Natürlich können nicht alle im großen Rahmen mitziehen, meist ist das Knowhow und Personal nicht vorhanden. Aber die, die es können sind sichtbarer als alle Jahre zuvor. Shiurim stehen allen Interessierten offen, ob sie in derselben Stadt sind oder nicht. Vielleicht wäre es auch eine Chance für die beiden jüdischen Volkshochschulen dieses Landes?

Wir haben die Gelegenheit, in der Pandemie, sogar in Deutschland digitale Möglichkeiten zu entdecken und auszuprobieren, wie wir es vermutlich in Jahren nicht getan haben und oft genug nicht durften. Es war die Stunde der digital affinen Mitarbeiter:innen. Wir konnten zeigen, was möglich sein kann und können Menschen einbeziehen, die vorher ausgeschlossen waren. es wurde erstmalig in der Breite wahrgenommen und gesehen, wirklich gesehen!

Teilhabe ist nicht gleichbedeutend mit physischer Präsenz. Es wäre schön, wenn unsere Gesellschaft das verstehen könnte. Es gibt mehr als die eigene Sicht der Dinge – zum Glück. Ich hoffe und appelliere ein wenig, das im Blick zu behalten, selbst, wenn die Pandemie endlich überstanden sein wird. Die Kamera kann weiter in Kirche/Synagoge/Moschee/Veranstaltungsraum stehen und ins Netz übertragen. Gebet und Wissen können daneben im Stream geteilt werden. Menschen können auf bequemen Wegen mit einbezogen werden. Und jene, für die der physische Kontakt der entscheidende Faktor ist, werden ihn wieder haben können. Wir wissen das. Die anderen Menschen aber, die man bisher so bedenkenlos ausschloss, gibt es gleichermaßen und ihnen sollte nicht (wieder) die Tür vor der Nase zuschlagen werden. Ich bitte darum.


photo credit: Alexander Smolianitski Shabbat 21st century via photopin (license)

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