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Ein freies Leben? Ida Dehmel – Bingen, Berlin, Hamburg

Ida Dehmel, geborene Coblenz, ist eine der beinahe vergessenen Frauen in unserer Geschichte. Passte sie doch auch weit nach ihrem Tod nicht in das Bild, das man sich von Frauen gemeinhin machte. Selbstständig, selbstbewusst und eben anders?

Ida wurde in Bingen als höhere jüdische Tochter geboren. Die arrangierte Hochzeit dem Kaufmann Leopold Auerbach brachte sie vom Rhein an die Spree, wo sie in der Lennéstraße 5 einen mondänen Haushalt führte und bald die da schon verblassende Tradition der Berliner Salons aufnahm. Schon als junges Mädchen war sie an Kunst und Literatur interessiert und konnte oder musste diese in ihrer unglücklichen Berliner Ehe ausleben.

Ihr Mann war nicht ganz der ehrbare Kaufmann und wurde wegen Betrugsverdachts festgenommen. Die Gelegenheit für Ida, sich aus dieser Ehe zu befreien. Ida war zu diesem Zeitpunkt 1898 bereits ein Zentrum der Berliner Bohème geworden. Auch ohne Geld blieb sie ihren Ambitionen treu und zog mit ihrem Sohn nach Pankow, wo auch die Dehmels wohnten. Man kannte sich bereits aus Idas Salon. Es schien Liebe zu sein, denn Richard trennte sich von seiner Frau Paula und lebte fortan in „wilder Ehe“ mit Ida. Gemeinsam verlassen sie Berlin und reisen die kommenden Jahre gemeinsam nach Italien und Griechenland, als Ida an Typhus erkrankte und sie wieder nach Deutschland zurückkehren. Nach drei Jahren heiraten beide in London und lassen sich nach einer Zwischenstation Heidelberg in Hamburg Blankenese nieder. Ihr Haus, heute die Dehmelhaus-Stiftung, wird nicht nur bemerkenswert in Ausstattung und Architektur, sondern wieder Anziehungspunkt für Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt. Ida war zu dieser Zeit nicht nur als Unterstützerin der Künste, sondern auch im Kampf für das Frauenwahlrecht aktiv.

Der Erste Weltkrieg lässt Sohn Hein-Lux nicht überleben. Er wird im Garten des Hauses beigesetzt. Nur drei Jahre später stirbt auch ihr Mann Richard an den Folgen seines Kriegsdienstes. Die finanzielle Lage verschlechtert sich, so dass sie für den Erhalt des Nachlasses Richards eine Stiftung gründet und selbst als Mitglied des deutschen Werkbundes einen Kleinbetrieb für Perlarbeiten öffnet. Auch das gesellschaftliche Leben im Haus wird aufrechterhalten. Ihr Interesse für Frauenrechte schlägt sich auch hier nieder und sie gründet letztlich die „Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen“ – die Gedok, die auch heute noch existiert.

Die von ihr gegründete Gedok schließt Ida Dehmel 1933 aus, da sie Jüdin ist. Auch jetzt noch finden im Dehmel-Haus künstlerische Veranstaltungen statt. Die Chance, aus Deutschland zu emigrieren ergreift sie nicht, zu groß ist die Angst um den Nachlass Richard Dehmels „…, ich würde nie auswandern im Moment in dem ich das Dehmelhaus verlassen muß, mache ich Schluß..“ (Dezember 1938). Von all ihren Reisen auf andere Kontinente kehrt sie nach Hamburg zurück, das sie ab 1939 nicht mehr verlassen darf. Sie hat Unterstützer, die ihre Deportation immer wieder verhindern können. „Seit Mittwoch war nicht nur mein Leben, sondern das von Tausenden eine bodenlose Qual. Seit einer Stunde erst scheine ich gerettet zu sein. Als Einzelne. Mittwoch erhielten 2000 Hamburger Juden (es können auch nur 1500 gewesen sein), den Evakuierungsbefehl.“ (Oktober, 1941).

Ida erlebt die Deportation von Menschen in ihrem Haus aus nächster Nähe-in einem anderen Brief schreibt sie: „Eine arische Bekannte meiner Mieterin kam zu Besuch. Ich schloß ihr die Haustüre auf. Eine junge Frau. Sie sagte zu mir: „Wie gut. daß Sie noch nicht dran sind, da können Sie doch bessere Reisevorbereitungen treffen.“ Und da schlägt kein Blitz ein und lähmt ihr die Zunge …“

Ida wird nicht deportiert, sie wird nicht ermordet. Am 29. September 1942 nimmt sie sich das Leben. In diesem Jahr wäre sie 150 Jahre alt geworden.


Diese kleine Zusammenfassung, einer für mich beeindruckenden Frau schrieb ich im Rahmen der Blogparade #femaleheritage . Ich habe überlegt, über welche beeindruckende (jüdische) Frau ich schreiben könnte. Mir sind einige eingefallen. Mit Ida beschäftigte ich mich bereits vor ein paar Jahren, als ich ihre Spuren in Pankow suchte. Sie verkörpert für mich den starken Willen, ihren Interessen trotz aller Widerstände zu folgen. Ein Beispiel ihrer Zeit, die zu lange in Vergessenheit geriet. In den letzten Jahren hat sich das zum Glück geändert.

Informationen zu ihr gibt es u.a. bei der Dehmelhaus-Stiftung, auf Wikipedia, bei den Stolpersteininformationen Hamburg oder zur jüdischen Geschichte Hamburgs.

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