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Das Backen der Challot

Erinnern Sie sich noch im letzten Jahr, als Menschen plötzlich mehr Zeit zuhause verbrachten und sich statt Haustier einen Sauerteig zur Pflege anschafften? Als Backrezepte hoch und runter besprochen wurden und man auf Instagram ohne ein obligatorisches Foto des selbstgebackenen Sauerteigbrotes, aus entsprechendem Rezept, nicht recht dazu gehörte? Mir ging es so.

Bis heute wohnt kein Sauerteig in meinem Kühlschrank. Nach einer Dokumentation über einen irischen Markt buk ich das dort gezeigte Sodabrot. Das ging schnell, denn etwas hatte und habe ich nicht zuviel: Zeit.

Mit den Wochen wurden die Tage im Büro weniger. Die dortigen Strukturen fielen weg: ohne Kolleg:innen keine Mittagspausen, ohne den Wachmann am Abend keine Erinnerung, doch mal nach Hause zu fahren. Wie gut konnte ich im Stillen ohne Störungen am heimischen Küchentisch arbeiten und tat und tue es mehr, als es gesund sein kann.

Bei Dominik sah ich irgendwann ein Foto von Challot, die er buk. Und wie ich es seit Jahren machte, fragte ich ihn nach seinem Rezept. Über die Jahre habe ich viele Rezepte versucht, durchweg außerordentlich erfolglos. Ich bin keine Hausfrau und habe weder Talent noch die Bestrebung dazu. Aber gute Challot, das wär schön. Deshalb wieder ein Versuch an einem Freitag im Winter mit Dominiks Rezept und endlich ein Brot, das so war, wie ich es mir wünschte. Fluffig wie eine Wolke, duftend und warm mit leichter Süße. Am Schabbatmorgen war schon längst nichts mehr übrig. Das nächste, etwas gewandelt am anschließende Freitag und wieder an darauffolgenden, seit Wochen jetzt.

Stunden braucht die Zubereitung, Geduld und warten. In das Kneten und Teilen und Flechten versuche ich alles hineinzulegen, was ich nicht mit in den Schabbat nehmen will, und das ist oft eine Menge. An manchen miesen Tagen denke ich inzwischen daran, dass ich Freitag wieder backen werde und dass das, was mich im Moment stört, dann weggeknetet wird. Ich könnte an einem Mittwoch backen, sicher, aber Challot sind Challot und die gehören zum Schabbat.

Inzwischen sind aus dem anfänglichen Einzelexemplar die traditionellen zwei Challot geworden, eine mit Rosinen, eine ohne – für jeden Geschmack. Unterbrochen wurde der Rhythmus nur durch Pessach, als ich es so vermisste, das Kneten und Flechten und Warten und merkte, wie wichtig es mir geworden ist, mehr als die Struktur zum Ende der Woche. Doch die Uhr, die die Gehzeit des Teigs misst, bestimmt auch das Ende meiner Woche. Das Wissen um den Schabbat, diesen einen Tag Pause, Pause von negativen Nachrichten, Pause von der Arbeit vor allem, Pause für den Körper und den Geist vom Alltag scheint weit wichtiger in diesem Jahr, als es mir bewusst war.

Manchmal brauchen wir diesen Stups von außen, den Stups eines Rituals, den Stups von etwas Schönem am Ende einer oft nicht so schönen Woche.

Spätestens, wenn die Challa im Ofen ist, wenn ihr Geruch die Wohnung erfüllt, ist an Arbeit nicht mehr zu denken. Ich räume meine Sachen weg, der Küchentisch wird für das Wochenende das, was er sein soll: der Küchentisch, kein Schreibtisch. Mein Büro, die Arbeit, das Museum, alles verschwindet in der Ecke, sein Platz wird eingenommen von frischem warmen Brot und dem Gefühl, dass mit diesem Moment etwas Gutes beginnt. Was braucht es mehr?


Foto: Chaplain Abraham Dubin, holding a challah bread, leads a High Holiday service in India, Center for Jewish History, NYC, No restrictions, via Wikimedia Commons


Weil gefragt wurde, hier mein Rezept:

Für den zwei Personenhaushalt passt:

500g Mehl
40g Zucker
1 Pck. Vanillezucker
8g Salz
1 Pck. Trockenhefe (7g, Vorsicht, nicht alle gehen gut auf)
oder
1/2 Würfel frische Hefe
50g Sonnenblumenöl
200-220g/ml lauwarmes Wasser (meist reichen 200, manchmal ist das Mehl aber komisch, muss man testen, der Teig darf nicht kleben)
1 Ei für das Einpinseln vorm Backen, geht aber auch ohne, dann glänzt es nicht und Gestreusel hält nicht, vielleicht geht auch Hafermilch o.ä.
Wenn man mag, was zum drüberstreuen, Mohn oder Sesam oder Schokodrops oder Kräuter oder Blumen.

Alles zusammenmischen, 10 Minuten kneten. Dann 90 Minuten warm und abgedeckt gehen lassen. Ich teile den Teig und arbeite in eine Hälfte noch Rosinen ein. Lasse dann getrennt in zwei Schüsseln gehen.

Der Teig sollte ziemlich groß sein, rausholen, Luft ablassen und in einzelne Teile, soviele, wie man Stränge haben möchte, teilen, zu Kugeln formen und nochmal so 10 Minuten gehen lassen.
Dann den Zopf oder Kranz oder was auch immer basteln.
Dann nochmal 40 Minuten zugedeckt an einem warmen Ort gehen lassen.

Dann bepinseln mit einer Mischung aus dem Ei, etwas Wasser und einer Prise Salz, geht auch Milch oder was auch immer, gern bestreuseln, mit was immer man mag. Ich freue mich auch immer über Hinweise für vegane Alternativen.

Letztendlich bei 180°C oder Umluft 160°C in den Ofen. Jetzt kommt es drauf an, ob man nur ein Brot aus dem Teig gemacht hast, dann sind es 20-30 Minuten, ich mach so 20, ich mag es gern gnatschig. Wenn man zwei kleine daraus macht, hab ich sie maximal 15 Minuten drin. Das muss man nach eigenen Präferenzen testen.

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6 Kommentare

  1. Kedorlaomer Kedorlaomer

    Der Autor des Rezepts ist kein Geheimnis — aber das Rezept selbst? Vielleicht will die Welt auch partizipieren

    • Ich habe das Rezept oben im Text noch eingefügt. Ich hoffe, es klappt und schmeckt.

  2. Kai Kai

    klingt wie unser Rezept, ich probiere die Variante mal aus, bis auf die Milch, bei uns gibt es meist fleischig am Shabbes

    • Deshalb ist das Rezept auch praktisch für alle Eventualitäten. Fleischig, milchig und ohne das Bepinselei auch vegan. Ich freu mich, zu hören, wie diese schmeckte.

      • Kai Kai

        Also, habe es letzten Shabbes ausprobiert. Rezept ist gut, habe lediglich die Milch durch Hafermilch ersetzt.

        • Wie gesagt, ich weiß nicht, welche Milch. Ich nutze keine Milch bei dem Rezept, ich weiß, dass man Milch als Ersatz zum Einpinseln nutzen kann. Wenn das mit Hafermilch geklappt hat, ist das ein toller (veganer) Tipp.

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