Zum Inhalt springen

Wiederöffnung – Freude und Schmerz

Die Museen dürfen wieder öffnen. Nach über zwei Monaten Schließung ging jetzt alles sehr schnell, fast zu schnell.

Es klingt so leicht: öffnen. Stellt man eben ein bisschen Desinfektionsmittel hin, zirkelt ein paar Sachen ab und passt auf, dass die mit Mund-Nase-Schutz versehenen Gäste auch nicht zu viele werden. So in der Theorie. Doch leider sind nicht alle Museen, Orte, in denen Bilder an der Wand hängen und man lediglich darauf achten muss, dass es sich vor den Bildern nicht gruppiert – das allein schon ist eine Aufgabe für den Besucherdienst, um den ich ihn nicht beneide.

Es gibt keine wirklichen Regeln. Es gibt einige Empfehlungen. Doch jedes Haus ist anders. So ging es auch mir, als ich die Ausstellungen „coronafest“ machen wollte: Alles, was irgendwie interaktiv ist, muss weg. Und das ist eine Menge. Ich fand mich also wieder, wie ich in Vitrinen kroch, Blätterelemente demontierte, Filmstationen mit Zeitzeug*inneninterviews bis auf weiteres abschaltete, Frage-Antwort-Elemente entfernte, Schubladen mit weiteren Informationen fixierte und was weiß ich. Es wurde irgendwie mehr statt weniger. „Da sieht man dann doch, wie viel interaktives wir im Museum haben.“ sagte die G. als ich mir staubbedeckt etwas zu trinken holte.

Ausstellungen sind selten dafür gemacht, dass man Teile entfernt. Es bleiben Lücken. Lücken, die mir weh tun. Ganz besonders, wenn es um die Interviews mit Überlebenden geht. Es ist, als ob das Herz des Hauses langsamer schlägt, viel langsamer, man es anstupsen muss, weiterzuschlagen. Ich reiße Teile seines Körpers heraus. Natürlich gibt es rational betrachtet noch immer genug zu lesen und zu sehen. Dennoch, wer denkt beim Aufbau, dass er irgendwann das Gegenteil tun muss: Ausstellungen entlauben, entkernen, entleben. Ein richtiges Wort fehlt mir dafür.

Natürlich ist es schön, endlich wieder Gäste empfangen zu dürfen, natürlich ist es schön, ins Gespräch zu kommen und Geschichten zu erzählen, die wenig gehört werden. Und dennoch, dennoch fühlt es sich an, als ob wir ihnen nicht alles erzählen können, nur noch einen Stumpf teilen, der übrig blieb, übrig bleiben muss. Der Preis der vielleicht zu frühen Öffnung.

So bleibt mein Gefühl für die Wiederöffnung ein Zwiegespaltenes. Es ist nicht nur Freude. All die Teile, die nun nicht mehr Ausstellung sein dürfen, liegen in meinem Büro. Ich ertappe mich, dass ich über sie streiche und sie trösten will: „Irgendwann, dürft ihr wieder zurück zu den Menschen.“


Ich habe genügend Lösungsideen. Doch solche Lösungen benötigen eines gewissen Etat, der ist, gerade in kleinen Häusern, nicht gegeben.

Ein Kommentar

  1. Andere Museen, andere Lücken … Traf eine ehmalige Kollegin aus dem Museum, in dem ich mal gearbeitet habe. Da gibt es wenig Interaktives. Räume bleiben geschlossen, sonst müssten Altäre von der Wand. Die passen nicht in das zu kleine Depot.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert