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„Wenn Du größere Hände hast“ – Erinnerung an Seife

„Wenn Du größere Hände hast.“, hatte sie gesagt. Heute habe ich größere Hände und oft muss ich daran denken, wenn ich mir die Hände wasche. Nein, Tante, auch mit meinen größeren Händen kann ich die Seife nicht so bewegen wie Du.

Immer lag eine gut duftende Seife bei am Waschbecken bereit, die Welt da draußen abzuwaschen. Händewaschen war wichtig, wenn man schon zum Baden in den Keller musste. Die Seifen, die sie hatte, rochen nicht so künstlich wie die, die wir zu Hause hatten, die sowieso bald ihren Geruch verloren. Wie viele sie wohl immer mitbrachten von ihren Reisen in den Westen? Es müssen einige gewesen sein.

Wenn ich zurückkam von Abenteuern mit dem Onkel oder dem Gang in die Stadt mir ihr und selbstverständlich vor allen Mahlzeiten, schob sie mir die Fußbank vor das Waschbecken, stellte sich hinter mich und überwachte, wie ich mir die Hände wusch. Ich wollte es so tun wie sie: Die Seife nicht drehen, einfach nur zwischen den Handflächen gleiten lassen, doch sie fiel mir immer aus den kindlichen Händen. „Wenn Du mal größere Hände hast.“, solange drehte ich die Seife über ihre Längsachse zwischen meinen Händen. Heute, Jahrzehnte später muss ich beim Händewaschen oft an sie denken und versuche noch immer, das Stück sacht zwischen meinen Handflächen gleiten zu lassen, es so zart und dünn werden lassen, dass es am Ende zerschmilzt und nicht zusammengepappt mit den anderen Stücken im Seiferestebeutel in einem Gemenge unterschiedlicher Gerüche aufgeht und wenig beachtet seine letzten Tage verbringt.

Ihre Hände rochen immer dezent nach „der guten Seife“, wie sie es nannte. Der Onkel musste die seinen erst mit der üblichen Seife aus dem Konsum vom gröbsten reinigen, auf der Toilette, wo es nur kaltes Wasser gab, dann auch diese Seife nehmen, die fein, aber nicht blumig roch. Das Händewaschen, wenn sie hinter mir stand, waren wohl die intimsten Momente, die Momente größter Nähe. Sonst war stets vornehme Distanz. Eine Dame, die es in eine einfache Umgebung verschlug. Es war Vertrauen, aber auch Strenge und sicher kein Kuscheln. Ich kann mich nicht an Umarmungen erinnern. Aber vielleicht waren sie mir selbst auch nicht so wichtig, als dass ich sie mir merkte. Ich war gern bei den beiden. Und seltsam ist, dass ich mich so sehr an die Seife erinnere und noch immer im Ohr habe: „wenn Du größere Hände hast“ – dabei gäbe es doch soviel zu erzählen: vom Kirschbaumklettern, Maurern, Betonieren, Radfahren, Klettern, Löwen, rudern, schwimmen … Alles Erinnerungen an den Onkel. Gurkensalat, starker „guter Kaffee“ – und Seife die Tante. Habe ich sie geliebt? Ich weiß es nicht. Den Onkel, ja. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn er hätte älter werden können. Sie? Ich weiß es nicht. Liebe ist ein zu großes Wort und vielleicht ist auch alles zu sehr vermischt mit dem später, in dem Seife keine Rolle spielte.

Ich habe nie geschafft, dass meine Seife so aussah wie die meiner Tante und seltsam, dass ich es weiter versuche. Ich muss keine gute Seife mehr importieren bei seltenen Besuchen oder auf ein Paket warten, in dem man die Seife schon außen roch, wenn sie bei den Kontrollen durchgelassen wurde. Einen verzaubernden Geruch wie damals habe ich nicht mehr gefunden. Doch wie die Welt heute nicht mehr grau, sondern voller Farben ist, so riecht sie auch besser, als dass der eine Duft sich einbrennt und mit ihm eine Zärtlichkeit, die subtil und vielleicht auch gar nicht da war.

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