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Das Mesusaproblem

Es wurde renoviert: der Flur, die Wohnungstüren. Die Mesusa musste ab. Nun hätte ich sie einfach auch wieder anbringen können, doch habe ich ein gewisses Farbempfinden, blau und grün. Ich weiß nicht. Zudem war es ein Standardmodell, das man recht günstig bekommt. Sie zog bereits zwei Mal mit mir um. Also eine neue, passendere finden.

Ich hatte die Rechnung ohne Wirt, nein Moment ohne den Mesusamarkt in Deutschland gemacht. Der ist besser geworden, ja deutlich besser als vor Jahren. Doch noch immer deutlich schlechter als in anderen Ländern. Zwar gibt es ein zwei inländische Onlinehändler für everything jewish – nur sind diese leider sehr an meinem Geschmack vorbei und eine Mesusa ist doch inzwischen irgendwie immer ein Zeichen im mehrfachen Sinne. Was also tun? Das jüdische Museum Berlin hat derzeit keinen Shop. Die ehemaligen Pächter hatten doch mitunter etwas andere Exemplare als sonst erhältlich. Natürlich mit Tourismusaufschlag, aber nun ja. Die anderen Möglichkeiten in dieser Stadt: Ich bin zu picky. Ich weiß. Ich musste an Hannah denken, die schon vor 15 Jahren oder was es war, immer sagte: „Wenn Du in Deutschland Judaica brauchst, die Dir einigermaßen zusagen, musst Du im Ausland kaufen oder selber machen.“ Hannah hat selber gemacht, selbst ihren Tallit hat sie selbst aus einem seidenen Schal gemacht, die Zizit als Set im (Na, wo?) Ausland gekauft, selbst geknüpft. Ihre Mesusot waren selbst aus Ton gefertigt. Ach, hätte ich nur die Geduld und die Weitsicht.

Nach einigen Überlegungen, doch in den USA, Großbritannien oder Israel zu kaufen, viel Fluchen und Überlegungen, doch die alte wieder an ihren Platz zu bringen, gab ich auf. Ich schaute nicht mehr auf die wunderschönen, schlichten, protzigen, lustigen, farbenfrohen oder edlen Exemplare, die andere Länder offerierten. Natürlich waren auch dort die, die mir zusagten, im oberen Preissegment. Woanders hätte ich einfach in einen Judaicaladen gehen können, überwältigt von der Auswahl mich vermutlich nicht entscheiden können, doch ich hätte die Auswahl gehabt. Hier, nun ja. Auch bei Ebay fand ich nichts Ansprechendes, ich habe Skrupel, historische Mesusot zu kaufen. Woher kommen sie? Von welchen Türen wurden sie entfernt und von wem? Natürlich könnte ich sagen, ich hole sie wieder in ein jüdisches Haus, dennoch die Skrupel bleiben.

Die Tage vergingen, es lebe das Internet. Man kann ihn ihm versinken und auch etwas träumen, aber auch verlieren. Inzwischen ist nicht die Alte an der Tür, eine Neue stattdessen. Ich fühle mich in meinem Zuhause wieder komplett. Die Neue ist nichts besonders, wie ich am Beginn meiner Reise hoffte, sie ist schlicht, ein (verhältnismäßiges) Massenprodukt. Die Suche nach dem Besonderen gab ich auf. Die Neue wird auch an anderen Türen sein können. Die Wahrscheinlichkeit, dass hierzulande in Wohnungen jüdischer Haushalte wieder jüdische Menschen einziehen, geht gegen null.

Die Mesusa ist da und letztlich ist es auch egal, wie sie aussieht. Ich hätte mir das alles sparen können, ich weiß. Doch das Auge ist eben doch ein Teil des Menschen, und wenn Dinge nicht passen, machen sie unruhig. So ist nun wieder Ruhe eingekehrt – und dennoch, es hätte anders sein können, wenn wir die Möglichkeiten hätten. Wir haben sie nicht.


Foto: „Collectors‘ items: medallions and mezuza cases“ von Rahel Jaskow auf Flickr. (CC BY-NC-ND 2.0)


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3 Kommentare

  1. Udo Mann Udo Mann

    Also in NRW ist das Einfach….man fährt nach Antwerpen.

    • Jehuda Jehuda

      Ich wohne in Antwerpen und kaufte meine auch im „Ausland“, da es auch hier nur Traditionelle, Einfache gibt.

  2. Frau Irgendwas ist immer Frau Irgendwas ist immer

    Wir haben unsere vor über 25 Jahren aus Jerusalem mitgebracht, als nicht gläubige Menschen ein schwierig Ding – also nicht für uns, eher für den damaligen Verkäufer und für manche Gäste unserer Wohnung – sie ist am Türstock des Wohnzimmers und erinnert uns täglich an diese Reise.

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