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Sicherheitstrainings für Gemeinden – Beispiel USA

Haben Sie etwas von Tu BiSchwat mitbekommen? Mir stand der Sinn nicht danach. Recht wenig Beachtung fand die Geiselnahme während des Schabbat-G’ttesdienstes in Colleyville/ Texas. Für die Geiseln ging es gut aus. Der Geiselnehmer, nach Aussagen seiner Familie psychisch instabil, starb.

Unterschiedliche Wege der Sicherheit für Gemeinden

Dies ist nur ein Ereignis von vielen weltweit – Halle eingeschlossen. Seit den Morden in der Tree of Life Synagoge in Pittsburg hat sich in den USA sehr viel geändert. Man reagiert anders als in Deutschland auf die Gefahren. Hier sind oft die Gebäude geschützt. Zu erkennen an Polizei und Sicherheitskräften vor Synagogen, Schulen, Gemeindeeinrichtungen: Videoüberwachung, Kontrollen am Einlass. Die Wachen sind auch da, wenn keine Menschen in den Häusern sind. Gleichzeitig haben wir z.B. in Halle erlebt, dass der polizeiliche Schutz nicht selbstverständlich ist.

Sicherheitstrainings für jüdische Gemeinden in den USA

Die massive (deutsche) Bewachung, wie wir sie z. B. anschaulich in Berlins neuer Synagoge sehen, die gleichzeitig Museum und Synagoge ist, scheint die Strategie zu sein, der man in den USA folgt. Nicht erst seit den Morden in Pittsburg geht man einen anderen Weg: Die Gemeinden bzw. Gemeindemitglieder, also auch die Beterinnen und Beter, werden trainiert, damit umzugehen, sollte jemand versuchen, Menschen in ihren Räumen als Geiseln zu nehmen oder um sich zu schießen. Rabbi Charlie Cytron-Walker, Rabbiner der Congregation Beth Israel in Colleyville sagte mehrfach, dass ihm dieses Training geholfen hat, mit dem Geiselnehmer und vor allem der Situation umzugehen.

Jüdische Sicherheitsspezialisten

Die Trainings werden vom Secure Community Network angeboten, einer 2004 gegründeten NGO, die sich ganz den Sicherheitsfragen der jüdischen Gemeinden in Nord-Amerika widmet. Sie arbeitet eng mit den offiziellen Einrichtungen wie Homeland Security, Polizei etc. zusammen und kommuniziert mögliche Gefahren an die Gemeinden. Bei den Schulungen geht es darum, die Gemeinden zu befähigen, die drei bis fünf Minuten unbeschadet zu überstehen, bis Sicherheitskräfte wie die Polizei eintreffen. Auch erste Hilfe Maßnahmen werden trainiert. Erste Minuten sind oft entscheidend und gerade dann ist noch kein Spezialist vor Ort.

Kommunikation zwischen Behörden und Gemeinden in Deutschland?

Nun würde ich auf den ersten Blick denken, dass es das hier nicht bräuchte, da es zum einen die Anzahl der Gemeinden sehr überschaubar ist und somit die offiziellen Behörden den Kontakt halten können zum anderen aber denke ich ganz besonders mit Blick auf Halle, dass die Einschätzungen doch falsch sein können, ist eine gewisse Sensibilität nicht vorhanden. Hier könnte eine Lücke gefüllt werden. Das Beispiel des RIAS zeigt, welchen Unterschied Vertrauen und wirkliches Verständnis für die Situation macht. Es gibt bereits private Sicherheitsunternehmen, die mit jüdischem Hintergrund auf den Schutz jüdischer Einrichtungen oder Veranstaltungen spezialisiert sind. Den Unterschied zu einem Unternehmen ohne den Hintergrund merkt man z. B. bei Veranstaltungen schnell. Stichwort wieder: Sensibilität. Doch auch hier: Nicht immer läuft alles perfekt. Und es wäre schön, wenn wir diese Sensibilität grundsätzlich außerhalb von Zielpersonen erreichen könnten. Nicht nur in Sicherheitsfragen.

Trainings auch für deutsche jüdische Gemeinden?

Seit ich darüber nach der Geiselnahme in Colleyville las, denke ich darüber nach, ob das nicht auch ein Weg sein kann, den man in Deutschland gehen könnte: Ein Training für Gefahrensituationen. In Halle hatten wir das Glück einer Eichentür, aber auch das Glück schnell reagierender Betende. Doch nicht immer kann und wird es so gut ausgehen und wir sollten nicht glauben, dass Halle der letzte Versuch gewesen sein wird.
Im Arbeitsalltag sind gewissen Training ganz selbstverständlich. Nicht nur Museen üben Evakuierungen, Umgang mit unbegleitetem Gepäck, Feueralarme und Erste Hilfe. Die Trainings sind oft lästig. Ich gebe zu, ich mache sie auch nicht gern, doch letztlich geben sie die Sicherheit und nötige Ruhe, in einer Situation mit massivem Stress ein Handwerkszeug parat zu haben, an das man sich halten kann. Natürlich gilt das nicht für alle Menschen, wir funktionieren unterschiedlich. Dennoch ist die Chance höher, dass ich mich angemessener verhalte, wenn ich weiß, was Expert:innen empfehlen, als meinem reinen Gefühl zu folgen, das in Angstsituationen sehr irrational sein kann. In Colleyville hat es geholfen, wenn auch nur, die Ruhe zu bewahren und einigermaßen mit der Situation umgehen zu können. Warum sollte das nicht auch in Deutschland gehen?

Schutz nicht nur außen, sondern auch innen

Und vielleicht wäre das auch eine Änderung des Sicherheitsblickes hier im Land, in dem es nicht mehr um Gebäude geht, sondern tatsächlich und aktiv um die Menschen darin. Es geht um Selbstermächtigung und Selbstbefähigung. Ein Weg, den wir überdenken sollten, denn die Sicherheit abbauen werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr, so schön es auch wäre. Synagogenbesuch heißt immer Risiko – das Risiko zu minimieren sollte Priorität haben – außen und innen.


Dies ist wie immer eine sehr subjektive Betrachtung. Ich bin keine Expertin in Sicherheitsfragen von jüdischen Einrichtungen und betrachte nur von außen die unterschiedlichen Vorgehensweisen.


Bild: Erste Hilfe Paket aus dem Secure Community Network Training Programm.


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Ein Kommentar

  1. beat beat

    die Eichentür in Halle war kein zufälliges Glück sondern Teil der aktiven Schutzmassnahmen – der Vorsorge der jüdischen Gemeinde. Mit der Zunahme von antisemitischen Terroranschlägen war die normale Tür ausgetauscht worden gegen diese Spezialsicherheitstür . Das wurde nur möglich durch eine Privatspende, die Gemeinde hatte nicht genügend Geld dafür. Also Glück = Realitätscheck + Tun + Solidarität ?

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