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Buchbetrachtung: Entdeckungen von Benjamin Katz

Bis zum 3. Oktober 2021 zeigte das Marta Herford die Ausstellung „Benjamin Katz – Entdeckungen“. Für den Museumsblog durfte ich ein paar persönliche Gedanken zur Frage von „jüdischer Fotografie“ mitsamt einem verkürzten Ritt durch die Geschichte schreiben. Den vollen Text finden Sie hier. Es war mir eine große Freude und Ehre, dazu beitragen zu dürfen.

Manchmal ist einfach zu wenig Platz

Nun hat ein persönlicher Blog den Vorteil, dass man sich thematisch und räumlich ausbreiten kann. Die Beschäftigung mit den Arbeiten Benjamin Katz hat mich nicht losgelassen und daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch ein paar Dinge mehr dazu zu sagen.

Das Öffentliche und das Private

Benjamin Katz ist bekannt für seine Porträts. Die Fotografie ist sein Beruf. Er hat über viele Jahre eine Art Tagebuch mit der Kamera geführt. Nicht wie die Tagebücher der Manns, die schon von Beginn an für eine Veröffentlichung vorgesehen wurden, sondern für sich. Scheinbare Belanglosigkeiten, Details auf dem Weg, Kleinigkeiten, die eine Bedeutung haben, eine persönliche Geschichte und sei es nur für den Augenblick. In der Ausstellung, die im Marta gezeigt wurde, hat er aus all den Negativen seine darauf festgehaltenen Erinnerungen öffentlich gemacht. Ein nicht selbstverständlicher Schritt. Für mich persönlich mit meiner Leidenschaft für analoge Schwarz-Weiß-Fotografie ein Konvolut von Schmunzeln, Hinsehen, Nachdenken, Suchen. Es sind hier eben nicht die professionellen Arbeiten, sondern ganz persönliche Blicke, die mich mehr verbinden lassen als alle Hochglanzprospekte.

Als noch nicht alles öffentlich wurde

Im Katalog zur Ausstellung, den ich sehr gern empfehle, kann man eintauchen in diese Welt, die noch Privatheit kennt. Kaum Menschen auf den Bildern. Stimmungen, Chaos, Vergangenheit. Es sind dies die Beobachtung eines Menschen, der befreit lebte von Instagram und dem stetigen Drang und Druck, etwas Privates von und über sich veröffentlichen zu müssen. Hier sehe ich wirkliche Freiheit im fotografischen Blick. Eine Freiheit, die ich selbst suche und im Dilemma stecke, meine Freude an meinen Bildern zu teilen und eben doch nur sehr wenige als gut genug zu befinden, außerhalb meiner Mappen aufzutauchen.

Sind die sozialen Medien unsere Diaabende?

Vielleicht sind sie das. Vielmehr aber ist es doch ein: Hier bin ich und ich bin so toll. Leider ist vieles Fotografisches, was mit viel Selbstbewusstsein veröffentlicht wird Postkartenidyll, angepasst und abgekupfert. Susan Sontag sprach schon davon, wie Motive durch Überabbildung ihren Reiz verlieren, das in einer Zeit, in der das, was wir heute an Bildüberflutung erleben, noch undenkbar war. Doch es gibt natürlich Perlen, die man suchen muss, vielleicht noch mehr als je zuvor. Joel Meyerowitz sagte einmal, in seiner Jugend gab es nur zwei Fotobände, von denen er lernen konnte. Und wir? Inzwischen gehört es zum guten Ton der Fotowelt, seine eigenen Bücher/Hefte/Zines zu vermarkten, gern auch als Kickstarterprojekt im Crowdfunding. Das hat Vor- und Nachteile. Lernen wir von anderen oder kopieren wir sie? Als ich noch im Künstlerhaus Bethanien arbeitete, hörte ich oft die Gespräche der Stipendiatinnen und Stipendiaten, die wie selbstverständlich davon sprachen, wessen Ideen sie verwenden. Mich irritierte das sehr, war ich doch im Glauben, man solle seinen eigenen Stil finden, seine eigene (künstlerische) Sprache. Ich selbst habe bisher in einziges Projekt dieser Art gefördert, das Projekt einer 70-jährigen Fotografin: Beate Knappe.

Die Privatheit der analogen Fotografie

Je mehr ich darüber nachdenke, so glaube ich, dass meine Leidenschaft für die analoge Fotografie, das Entwickeln und Abziehen der Bilder meine persönliche Antwort ist auf die Flut der Pixel. Es geht nicht um die Menge der Bilder, es geht mir um meine Erinnerungen, die ich mit jedem einzelnen Bild verknüpfe. So wie vielleicht auch Benjamin Katz mit diesen privaten Bildern, die er ohne sie bisher veröffentlicht zu haben, aufbewahrte. Sie sind da. Sie sind seine Geschichte. Mich haben sie ermutigt, immer eine Kamera dabei zu haben, die scheinbaren Belanglosigkeiten einzufangen. „Wenn etwas etwas in Dir auslöst, mach ein Foto, denk nicht drüber nach“ hat mal jemand gesagt. Und tatsächlich sind es oft die besten Bilder, die, über die ich am wenigstens nachdenke, die im nebenher, mein Leben begleitend entstehen.
In Benjamin Katz Entdeckungen kann ich mich versenken, versuchen ihre Geschichten zu sehen oder mich einfach nur in der Zeit verlieren.

Fazit

Der Katalog zur Ausstellung hat mich ermutigt, meinen Weg weiter zu gehen. Ich möchte kein Profi werden. ich möchte weiter Freude an Fotografie haben, auch, wenn die Bilder mal nichts werden. Wenn der Verschlussvorhang Löcher hatte oder es einfach nur ein total bescheuerter Bildausschnitt ist. Es sind meine Bilder, es ist mein Tagebuch und manchmal vielleicht sehen aus andere mal eines dieser Bilder und manchmal berühren sie etwas in ihnen. Das ist das schönste Geschenk.
Mich hat Benjamin Katz mit diesen Arbeiten berührt. Sein Buch bleibt bei mir und ich blättere immer wieder gern darin uns sehe seine Geschichte.


Benjamin Katz
Entdeckungen

Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Marta Herford
200 Abbildungen
39,80 Euro
ISBN: 978-3-86442-350-5
Snoek Verlag


Disclaimer: Ich habe den Katalog zur Ausstellung kostenlos vom Museum erhalten, um den Blogbeitrag zur jüdischen Fotografiegeschichte schreiben zu können. Es waren keine weitere Verpflichtungen damit verbunden, ganz besonders nicht dieser Artikel.

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