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Buchbetrachtung: Krododilopolis von Pavel Feinstein

Als im heutigen Nahen Osten noch viele Götter und Göttinnen angebetet wurden, als Reisen manchmal ein Abschied für immer hieß, bricht ein gewisser Shimon S. – der volle Name wurde leider durch die Unachtsamkeit eines Trägers bei einer Ausgrabung zerstört und ist somit nicht überliefert – auf, um sein Glück fern ab seiner judäischen Heimat in Alexandria zu finden. So zumindest der Plan.

Es ist ein Reisebuch, eine Entführung in alte Welten, eine vergnügliche Begleitung Shimons und seines Wegbegleiters Shlomo, der, wie Shimon nicht nur sein Glück, vor allem aber der ihm drohenden Ehe entfliehen will. Beide spüren ein Talent für die Kunst und schaffen es unter dem Vorwand, den berühmten Käse ihres Heimatortes Anus Mundi (ich würde das als Arsch der Welt übersetzen), den bei den Römern sehr geschätzten foetor judaicus (Jüdischer Gestank) zu liefern. Unterwegs dienen die beiden Hebräer quasi aus Versehen als Satyrn zu einem Bacchanal den Mänaden. Die Tempelbehörde hatte es versäumt, die beantragten sechs Satyrn zu schicken, sodass die inzwischen älteren Tempeldiener sehr erschöpft waren.

Angekommen in Caesarea machen sich Shimon und Shlomo mit einer eigenen Werkstatt selbstständig und werden bald als Künstler sehr erfolgreich. Besonders ihre nach Originalvorlagen gefertigten Votivgaben kommen gut an und sprechen sich herum. Offensichtlich scheint die Bevölkerung besonders in Sachen Fortpflanzung Probleme zu heben, jedenfalls werden entsprechend viele, eher geschmeichelt große, Phalli gefertigt.

Irgendwann kommen die beiden an ihr eigentliches Ziel: Alexandria und auch das titelgebende Krokodilopolis spielt eine Rolle. Doch ich möchte nicht zu viel verraten.

Ich hatte große Freude an dem Buch. Es erinnerte mich an die Metamorphosen des Apuleius, der tatsächlich auch selbst eine Rolle in diesem Roman spielt, oder an „Das Gastmahl des Trimalchio“. Dieses Buch macht Spaß, wenn man Freude an antiken Autoren hat und die, so scheint mir, hat auch Pavel Feinstein.

Pavel Feinstein ist Maler und Zeichner, dies ist sein erster Roman. Seine Profession zeigt sind in den liebevollen mit Zeichnungen, mit denen das Buch versehen ist. Ein passend blaues Lesebändchen hätte die Ausgabe perfekt gemacht.

Trotz aller Freude habe ich dennoch ein paar Kritikpunkte, die ich nicht verschweigen möchte:

Krokodilopolis spielt zwar eine Rolle, dennoch erschließt sich mir nicht ganz, warum das Buch danach benannt wurde. Um Neugier zu wecken, so vermute ich. Das kann enttäuschen. Seien Sie also gewarnt.

Als jüdische Leserin fand ich das Buch gerade deshalb ansprechend, da unbefangen mit jüdischen Begriffen und Monaten umgegangen wird, es wird nichts im Text erklärt. Im Anhang findet man zudem „Shimons jüdische Sprachbox“, die einige Begriffe für nichtjüdische Lesende erklärt. Eine lateinische Sprachbox sucht man indes vergebens.

Im Klappentext spricht davon, dass Feinstein im Buch mit „Geschlechter- und Ökoirrsinn“ ein Spiel triebe. Meines Erachtens wird hier etwas konstruiert, um besser zu verkaufen. Zwar findet man dann und wann Hinweise wie zum Beispiel während eines Tempelrituals:

Möget ihr veranlassen,
dass jedem Wiedergänger, jeder Wiedergängerin,
jedem Feind, jeder Feindin,
jedem Widersacher, jeder Widersacherin,
jedem Dämon, jeder Dämonin…

Doch hätte es das nicht gebraucht. Fast, als wolle man eine Aktualität hineinzwingen, die es nicht braucht. Auch das Postscriptum ist überflüssig und schadet eher, als das es nützt. Das Buch und die Geschichte kommen besser ohne aus.

Dennoch möchte ich das Buch sehr gern zur Lektüre ans Herz legen. Ich hatte einen sehr schönen Tag damit und habe es nicht aus der Hand gelegt, auch, wenn es zum Ende hin etwas dahingeeilt erschien. Ich freue mich, dass ich es lesen durfte, und werde mich, glaube ich mal wieder den echten alten Werken widmen, bis Pavel Feinstein seinen nächsten Roman geschrieben hat.

Pavel Feinstein
Krokodilopolis
Hirmer Verlag, 2020
224 Seiten, 36 Zeichnungen
13,5 x 21 cm, gebunden
ISBN: 978-3-7774-3464-3
19,90 €

Leseprobe als PDF

Buchbetrachtung: Krododilopolis von Pavel Feinstein

 


Mir wurde das Buch vom Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich wurde weder zur Rezension verpflichtet.

Ein Kommentar

  1. Alexander Adler Alexander Adler

    Ich wurde weder zur Rezension verpflichtet.

    Noch dafür bezahlt, soll es wohl heißen! Aber auszahlen tun sie sich, denn sie sind die Hauptattraktion an diesem Blog für mich.

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