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Corona in der jüdischen Gemeinde Berlin

Als gestern Abend in den Nachrichten berichtet wurde, dass nun Kirchen und Moscheen ihre G‘ttesdienste aussetzen, fehlte (natürlich?) wieder: Synagogen. Erst einen Tag vorher unterhielt ich mich in Magdeburg mit Wadim Laiter darüber, ob nun die G‘ttesdienste stattfinden würden oder nicht. Wir beide wussten es nicht. Vom Zentralrat gab es keine Empfehlungen außer zu Sitzungen, Herr Laiter überlegte noch.
 
Heute Abend nun las ich ein paar E-Mails aus der Berliner Gemeinde nach, die mich irritieren. Die G‘ttesdienste in der Oranienburger Straße wurden gestern Mittag von Rabbinerin Ederberg abgesagt: „Pikuach Nefesch„, der Erhalt der Gesundheit, des Lebens gehe vor. Richtig so. Nachdem in der Stadt alle Veranstaltungen, Museen, Bibliotheken, Veranstaltungshäuser uvm. geschlossen wurden, war das nur konsequent.
Dieser E-Mail folgte eine Weitere: Die Gemeinde habe angewiesen, dass die G‘ttesdienste durchgeführt werden sollen, ältere Beterinnen und Beter mögen zuhause bleiben und man möge Abstand zueinander halten. Alle anderen Veranstaltungen der Gemeinde wurden abgesagt.
 
Zwar kann man in einigen Berliner Synagogen aufgrund der Raumgröße und der so schon geringen Zahl an Beterinnen und Beter Abstand halten. Dennoch: Ist das die richtige Entscheidung? Darf sie das sein?
 
Natürlich ist es schwierig, jüdische G‘ttesdienste am Schabbat via Livestream zu übertragen, aber brauchen wir das? Zählt es mehr, dass man an einem Ort gemeinsam ist, oder zu einer Zeit gemeinsam betet? Wir haben diese Möglichkeit, wenn wir nicht das Haus verlassen können. Das haben Rabbiner vergangener Generationen bereits entschieden.
 
Ich weiß nicht, wie es für Herrn Laiter in Magdeburg weiter ging. Entsetzt bin ich, wie die Gemeinde in Berlin entschied. Danke an Rabbinerin Ederberg, die so vorsorgend entschied:

Gemeinsames Gebet ist wichtig, Gesundheit und Leben bewahren ist wichtiger – „Pikuach Nefesch doche et hakol“. (Rabbinerin Ederberg, 13. April 2020)

Wie sieht es in Ihren Gemeinden aus? Gingen Sie diesen Schabbat in die Synagoge? Haben Sie darüber gesprochen? Es interessiert mich.

Passen Sie gut auf sich auf.


Foto von Barak Broitman from Pixabay

 

2 Kommentare

  1. Yankel Moishe Yankel Moishe

    Auf alten jüdischen Friedhöfen gibt es Massengräber mit Opfern der Cholera-Epidemien. Haben die sich zuviel auf שלוחי מצוה אינן ניזוקין (https://www.sefaria.org/Pesachim.8a.17?lang=bi&with=all&lang2=en) verlassen?

    Wie man liest, wütet Corona in den besonders welt- (und internet-) abgewandten chassidischen Gemeinden ziemlich heftig. Die haben mangels Information zu lange einfach normal weitergemacht.

    In Golders Green wurde am Sonntag das erste Opfer bestattet. Unter regulären Umständen wären bei der Levaje aufgrund seiner lokalen Prominenz viele Hunderte von Trauernden erschienen, um die letzte Ehre zu erweisen. So konnten nicht mal nahe Angehörige dabei sein. Einfach nur traurig.

    • Oh ja, das ist so oder so traurig. Ich fragte mich schon, wie es jetzt wohl in diesen Gemeinden sei. New York dürfte da ja ein besonderes Kapitel sein.

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