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Zuhören – Frauengeschichten

Es ist schwer geworden zuzuhören. Vielleicht war es schon immer schwer. Doch, so scheint es mir, wird es in unserer Zeit, in der das Laute mehr zählt als der Inhalt, noch viel schwerer zuzuhören – wenn man das überhaupt will. Es ist ein Übergeräusch an ichichich, immer noch lauter, skandalöser muss es sein. Das ganz normale, bleibt auf der Strecke.

Doch zum Glück gibt es auch noch das Andere, man muss es suchen und manchmal wird man darauf gestupst. So wie mein Dreierlei an Frauengeschichten, über die ich erzählen möchte. Es sind keine Stars, keine Influencerinnen, es sing ganz normale Frauen mit Ostbiografien, in Schlaglichtern über vierzig Jahre.

Maxie Wander: Guten Morgen, du Schöne

Zu diesem Buch kann ich nichts hinzufügen. Es gehört für mich zu den Büchern, die ein Mensch in seinem Leben gelesen haben sollte. Vielleicht auch mehrmals gelesen haben sollte, über die Zeiten. Erschienen 1977 spiegelt es die Zeit wieder, in die ich geboren wurde. Für mich ist es also auch die Chronik einer Zeit, in der für mich das Leben begann, in einer Welt, die ich noch immer zu verstehen suche. Es sind die Selbstverständlichkeiten der Frauenleben in der DDR, die ich nach 1989 als so gar nicht selbstverständlich verstehen lernen musste.

Zuhören - FrauengeschichtenMaxie Wander
Guten Morgen, du Schöne. Protokolle nach Tonband.

Buchverlag Der Morgen, Berlin 1977
Sammlung Luchterhand, Darmstadt/Neuwied 1979
dtv, München 1993
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2007
ISBN 978-3-518-45962-1 

 

 

 

Helke Misselwitz: Winter adé

Helke Misselwitz fuhr im Winter 1987/88 vom Süden, wo sie geboren wurde in den Norden der DDR. Unterwegs traf sie Frauen und spricht mit ihnen. Diese Gespräche sind in diesem Film zeugen von großer Offenheit, Zweifel, Hoffnung und sind in ihrer Unmittelbarkeit in ihrem Zusammenspiel mit den Bildern dieses Landes auch Zeitzeugnis eines Untergangs. Es ist ein graues Winterland, was dort in Schwarzweißbildern gezeigt wird, Bilder aus dem Zug, wie ich sie auch kannte: wüstenähnliche Gegenden, ein paar Kiefern, dazwischen die Spuren von Panzern, dann und wann Gruppen von Soldaten. Bilder, die Zugfahren hießen…verschwundene Bilder.
Besonders berührt hat mich die Geschichte von Anja und Kerstin (oben im Bild). Ich würde gern wissen, was aus ihnen geworden ist.

Zuhören - FrauengeschichtenWinter adé
DDR 1987/1988 Dokumentarfilm
Regie: Helke Misselwitz
Drehbuch: Thomas Plenert (Konzept), Helke Misselwitz (Konzept)
Laufzeit: 1h 56m

 

 

 

 

Monika Stenzel und Ulrike Jackwerth: He, du Glückliche!

Erinnerte mich der Film von Helke Misselwitz nur an die Idee von Maxie Wander, so bezieht sich das letzte Buch eindeutig auf Maxie Wander. Monika Stenzel und Ulrike Jackwerth, Schauspielerinnen, fragten sich 40 Jahre nach „Guten morgen, du Schöne“ wie heute Frauen auf dem Gebiet der nun Ex-DDR denken. Wie haben die Frauen die komplette Änderung ihrer Leben verkraftet, wie sehen sie unser Land heute, wie ihre Töchter und spielt „der Osten“ noch eine Rolle? Ich selbst wäre nie auf das Buch gestoßen, hätte ich nicht mit meiner Lieblingskollegin M. über Maxie wander gesprochen. Sie erzählte, sie habe von diesem Buch gehört, es aber selbst nicht gelesen. Ebenso hatte sie gehört, dass es nicht „so doll“ sein sollte. Der Antiquar meines Vertrauens lieferte es dennoch bald und nun ja, man sollte sich nicht auf „irgendwie gehört“ verlassen. Es ist ein wunderbares Buch. Frauengeschichten, 29 an der Zahl, wenige gerade, einige unbequem doch Hoffnung machend und vor allem nicht dem entsprechend, was, mit dem Drang nach Skandal und Lautstärke, sonst öffentlich wahrgenommen wird. Es sind nachdenkliche Geschichten: Was ist Heimat? Die Frauen denken über Geflüchtete nach, über Dresden, Leipzig, Berlin, über ihre Verhältnisse zu Männern…ganz normale Frauen, denen man sonst vielleicht viel zu wenig zuhört. Dieses Buch ist eine Chance.

Zuhören - FrauengeschichtenMonika Stenzel/Ulrike Jackwerth
He, du Glückliche!
29 Lebensgeschichten

264 Seiten
ISBN 978-3-96311-025-2
Erschienen: Mai 2018

 

 

 

 

(Es gibt auch ein männliches Equivalent, was den Titel „Guten morgen du Schöner“ trägt. Vielleicht hat schon jemand einen Blick hinein geworfen?)


Bild: Filmstill aus Winter adé, Gespräch mit Anja und Kerstin.

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