Jom Kippur 2019 in Deutschland

Dies ist der zweite Versuch eines Textes, vielleicht auch der dritte, der vierte über Gefühle, in der Hoffnung, sie ordnen zu können. Es gelingt nicht, da ist Zynismus und Wut und Verzweiflung.

Ich bin nicht in Deutschland. Ich hatte eine Pause, hoffte ich. Eine Pause von all dem, hoffte ich. Ich irrte. Natürlich irrte ich. Denn auch, wenn ich mein Telefon abschalte, auch, wenn der Rechner im Auto bleibt, wenn ich Tage vergehen lasse, E-Mails abzurufen, so erreichen doch Nachrichten immer die, die sie erreichen sollten.

Ich weiß noch immer nicht, wohin mit mir, mit meinen Gedanken. Die Stimmung ist gedrückt, in meinem Kopf geht drunter und drüber und ich wünschte, ich hätte die Worte, besser auszudrücken und besser zu verstehen. Die letzten Tage dieser Reise stellte ich mir anders vor.

Und gestern? Ich las die Kommentare der Politik, las von Bedauern und Entsetzen und ich frage nach Taten in all den Jahren. Haben wir Taten gesehen trotz all der Warnungen, trotz des Wissens um den ansteigenden Antisemitismus, den Rassismus, des halsschwellenden Hasses auf alle und alles, was vermeintlich anders sei? Trotz des Wissens um Waffenlager der Rechten, ihrer Netzwerke und der Morde die sie begangen in all den Jahren des Landes Deutschland? Haben wir Taten gesehen, trotz den unübersehbaren Hasses, der nun auch im Bundestag sein Unwesen treibt? Haben wir etwas gesehen außer Worten und Positionen? Beauftragte, Stäbe, Reden, Vorstellungen. Gibt es in Deutschland endlich den Strafbestand des Hassverbrechens, wie es in anderen Ländern längst eingeführt sei? Haben wir das Glück, dass der gestrige Täter sich antisemitisch äußerte, damit das Verbrechen als solches benannt werden kann? Oder verschließen wir weiter das rechte Auge?

Ich wünschte wieder, die Entscheider mögen schweigen, statt sich in dem zu überbieten, was sie als wichtig erachten: „Ich habe auch etwas gesagt! Muss man, damit wir wieder zur Tagesordnung übergehen können.“ Tagesordnung? Rabbinerin Ederberg sagte, weniger Menschen seien zu Jom Kippur in die Synagoge gekommen, da ein Mann versuchte, sich Tage zuvor mit einem Messer Zugang zu verschaffen. Wann war das letzte Mal, dass Sie Angst hatten, z.B. zum Weihnachtsgottesdienst in die Kirche zu gehen, zur Taufe oder Hochzeit?

Ich wünsche mir Demut, ich wünschte Politiker*innen würden sagen, dass sie keine Worte haben und keine Antworten. Es wäre ehrlich, zumindest das. Ich wünschte, sie würden nicht Alarmzeichen sagen und dass es in Deutschland unvorstellbar schien. Die Alarmzeichen sind schon lange im Dauerton und es war vorstellbar, es war vorhersehbar und absehbar, wenn man hinsah. Vorhersehbar, wenn man sich die Fakten der Statistiken ansah, vorhersehbar, wenn man den Menschen zuhört, die im täglichen Leben damit zu tun haben. All das war schon längst eine zu nahe Möglichkeit. Eine Möglichkeit, die nicht nur ich in naher Zukunft sah. Die Hallenser Polizei indes schien auf mehr als einem Auge blind.

Und ich, ich frage wieder diese eine Frage:

Was muss noch passieren, damit Ihr begreift?

Unschuldige Menschen sind gestorben, weil sie zufällig am falschen Ort waren und der Täter sein Massaker nicht verüben konnte. Zufällig, weil er zum Glück schlecht vorbereitet war, zum Glück. Das nächste Mal kann es anders kommen. Das nächste Mal dringt solch ein Mensch in eine Moschee, einen Tempel in eine Synagoge und schlachtet in seinem Hass die, die er nicht lebenswert erachtet.

Vor ein paar Jahren hatte ich ein Gespräch mit Hannes Leitlein, an den ich gestern denken musste, wie er wohl auch an mich. Wir sprachen lange und irgendwann fragte er, was geschehen müsste, damit ich das Land wirklich verließe. Ich musste nachdenken. Schon damals, denn schon da war zuviel geschehen. Und ich sagte, dass es wohl dann wäre, wenn sie unsere Einrichtungen angriffen. Vom Schänden war da schon keine Rede mehr, das war und ist Alltag in Deutschland, Synagogen, Friedhöfe – und wenn auch mit dem falschen Wort bedacht: Stolpersteine.

Gestern, gestern war er wieder da, dieser Gedanke, das erste Mal seit 2014 so intensiv, als die Nachrichten diesen stillen Ort erreichten: der Gedanke, einfach nicht zurückzufahren, nach Deutschland. Einfach hierbleiben, oder von hier woanders hin. Irgendwo, neu anfangen, verschweigen, fremd sein. Es gibt Orte, an die ich gehen kann. Ich weiß von ihnen. Und doch, ist es wirklich besser hier? Ist es wirklich besser dort? Ob nun Deutschland, Skandinavien oder Timbuktu? Er war dennoch da der Gedanke, er erschreckte mich und ist noch immer da.

Und doch weiß ich, wir werden morgen unsere Sachen packen und wieder Richtung Deutschland reisen. Wenn wir wieder da sind, wird ab Montag der Alltag beginnen und dort im Alltag, wird niemand fragen, wie geht es Dir? Es wird heißen, die/der/das wartet auf Rückruf und dieser Vertrag muss noch erstellt werden und die Ausschreibung wartet. All das surreal und doch so real. Irgendwie tröstend und doch auch wütend machend. Wenn wir wieder zurück sind in Deutschland, wird das Land, wie immer im Alltag sein und andere Themen bestimmen die Gazetten. Lasst es doch gute Themen sein. Lasst uns lesen, dass man die Kurden nicht allein lässt, lasst uns lesen, dass die Welt hilft, wo sie helfen muss, lasst uns lesen, dass in Hongkong die Demokratie siegt und nicht die Diktatur, lasst uns lesen, dass nicht mehr Menschen getötet wurden in Syrien, Afghanistan, Somalia und anderswo. Es wird nicht so sein, ich weiß es.
Nur wie soll man Alltag leben, wenn man an Maschinengewehren vorbei muss, um zu beten, wenn man den Kindern erklären muss, Waffen sind gut für Euch, weil Ihr hier nicht sicher seid, in Eurem Land. Wie soll man Alltag leben, wenn wir Politiker*innen beobachten, wie sie Reden halten und wieder Worte finden für etwas, für das es keine Worte geben darf. Wir werden beobachten, wie am Sonntagabend in Talkshows rechte Propaganda verbreitet werden darf und wir sehen schon jetzt, wie die Tat heruntergeredet wird. Glaubt wirklich irgendwer, das Wort „Einzeltäter“ würde etwas ändern? Außer die Verantwortung abzuschieben auf einen einzelnen Menschen, den man nach „Gründen“ befragt.

Das, was gestern geschah, ist eine Tragödie für dieses Land, eine Tragödie zuerst für die Familien der Opfer, eine Tragödie, weil sich jetzt, spätestens doch jetzt dieses Land klar sein muss, dass es offenen Auges dorthin gerannt ist. Es hat alle Warnungen in den Wind geschlagen, alle Statistiken weggeredet.

Das, was geschah in Halle, war nicht unvorstellbar in Deutschland, es war nur eine Frage der Zeit und gestern war diese Zeit.

12 Antworten

  1. Die Art des Attentats war vorhersehbar, der konkrete Ort und die konkrete Zeit nicht. Sie selbst haben oft über antisemitisch motivierte Gewalt berichtet, ein Buch dazu veröffentlicht, und immer wieder gemahnt. Aber die Botschaft kommt nicht an. Nicht bei der breiten Masse, die sich zerstreuen will oder um Hartz IV ringt. Nicht die Politik, die sich in Ritualen ergeht, verschämt leere Formeln wie „unvorstellbar“ oder „Dafür ist kein Platz in Deutschland“ mumelt. ES IST SEIT JAHRHUNDERTEN VOSTELLBAR UND GENAU SO LANGE IST DAFÜR SCHON PLATZ IN DEUTSCHLAND. Und es ist eine Schande.

    Der Antisemtismus gehört zu Deutschland, zu Europa, und es ist eine abgrundtiefe Schande. Ich möchte es herausschreien, daher die Großbuchstaben. Ist sonst nicht meine Art. Aber die Auseinandersetzung über deutschen, über europäischen Antisemitismus führen meistens die Leute, die sensibilisiert sind, sich für Integration und gegen jedwege Diskriminierung einsetzen. Traurig, aber wahr. Es ist eine Schande.

    Es macht mich wütend, wenn ich sehe, wie wenig ich als Einzelner dem Antisemitismus entgegensetzen kann. Ich kann Diskriminierung widersprechen, in Gesprächen, Blogkommentaren usw. Das ist richtig, aber die Antisemiten unter uns erreiche ich damit nicht. Ich hab’s versucht und ich scheitere jedes Mal. Ihr Gesprächspartner ist derzeit nicht erreichbar… Ich kann tätlichen Angriffen entgegentreten, wenn ich Zeuge werde. Wurde ich bisher in Luxemburg nicht. Es blieb hier bislang beim Vandalismus. Aber das ist ja erst der Anfang. Der Antisemitismus ist diesem Land nicht fremd. Hitler hatte seine Mitläufer auch hier und schon lange vor der Invasion 1940. Das Gedankengut bliebt erhalten, man muss sich nur in die entsprechenden Foren wagen. Oder der älteren Generation zuhören: „Ich kauf‘ doch nicht beim Juden!“ Eine Debatte gibt es dazu nicht. 1945 standen „die Luxemburger“ (welche denn genau?) auf der Siegerseite. Alles Widerstandskämpfer, einer wie der andere. Man fragt sich, wie die Nazis sich so lange halten konnten bei all den einheimischen Helden. Ende gut, alles gut? Es ist eine Schande.

    Ein Forscher hat versucht, mit zwei Studien die Kollaboration der Luxemburger bei der Judenvernichtung und das Mitwirken der Behörden zu thematisieren. Das Beste, was man dazu sagen kann, ist, dass die Studien gedruckt wurden. Ich habe sie beide gelesen. Ich kenne niemanden, der sie ebenfalls gelesen hat. Niemanden. Es ist eine Schande.

    Kommt es zu antisemitischem Vandalismus, gibt es einen kurzen Artikel im Vermischten, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde und der Premierminister kommen zu Wort und dann – danke, das reicht. Man hat seine Schuldigkeit getan. Wir gehen zur Rettung des Klimas auf die Straße, was natürlich wichtig ist, aber zur Rettung unserer Mitmenschen vor Diskriminierung rühren wir keinen Finger. So ist das. Es ist eine Schande. Mir graut vor der zukunft. Nicht weil ich Jude bin. Weil ich Mensch bin und sehe, dass die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt.

  2. Avatar von Michael Kraemer
    Michael Kraemer

    Ich hätte heulen können, sagt man so. Ich habe geheult. Weil dieser abgrundtief dumme Hass in diesem Land, das mein Land ist, sich nicht ausrotten lässt. Weil er wie ein aggressiver Krebs immer neue Rezidive bildet, immer wieder nützliche Idioten aufschwemmt aus der braunen Gosse. Aber das wollen die ja: dass man müde wird, Angst bekommt, von der Dumpfheit sich überrollen lässt. Eben deshalb gibt es kein Zurück: Wir waren zu gesittet, zu langmütig, zu optimistisch. Weitermachen, besser und wirksamer werden, so lange, bis sich die jene „political correctness“ zurückwünschen, welche sie bisher so hämisch perhorreszieren!

  3. Avatar von Olaf Schleser
    Olaf Schleser

    Plötzlich sind mal wieder alle erschrocken nach dem Schrecken von Halle.
    Wie viel Jahrhunderte haben wir denn schon Antisemitismus?
    Wie viel Kriegsverbrecher wurden denn 1945 wirklich verurteilt?
    Zu wenig, bzw. Zu viele haben weiter braun denken können.
    Und jetzt fragt man sich wo das herkommt.
    Wenn ich allein die Sendezeit von ZDF info zusammenzähle , wo über den 2.WK , Hitler und sein Gefolge, bis zu Eva Braun , meiner Meinung nach eher glorifizierend als abschreckend berichtet wird , kommen nicht nur Tage zusammen, für die wir alle auch noch Gebühren bezahlen.
    Tja wo könnte den nun zum Beispiel der Nährboden für den unterentwickelten Täter wie in Halle herkommen.
    Staatlich gefördert?
    Als Jahrgang 1963 war mir in der 8. Klasse beim Besuch des Kz Buchenwald und den Anblick der gesammlten Kinderschuhe mein späterer Weltblick mit gestellt.
    Erschreckend an der Tat von Halle ist eigentlich in erster Linie , wie erschrocken jetzt die Politiker tun.
    Aber vielleicht werden sie ja bald wieder vom Klimawandel abgelenkt.

  4. Fassungslos, Wütend, Traurig. Anders kann ich es nicht beschreiben wie ich mich gefühlt habe als mich die Nachrichten aus Halle erreicht haben.

    War es abzusehen? Ich denke ja, immerhin ist ja in den letzten Jahren / Jahrzehnten genug passiert. Wann sehen die Politiker es ein das dieser Rechter Terror existiert? Und es wird immer schlimmer.

    Diese unfassbare Verbrechen als Alarmzeichen zu betiteln ist ein Schlag ins Gesicht der Allgemeinheit.

    1. … und das schlimmste ist, dass die Täter einem Personenkreis zugeschoben werden wo sie nicht hingehören, wo sie auch nicht sind.

      Ich wurde gestern, oder der Kreis der Personen mit denen ich meinem Hobby nach gehe , in der Tagesschau App >Format 100 sec, mit diesem Pack gleich gestellt.
      Einfach, polemisch, ohne jede Fachkenntnis. Ich bin begeistert, und das Volk ist jetzt beruhigt, denn Leuten wie mir geht es jetzt an den Kragen. Auch wenn wir nichts aber auch gar nichts für solche Schweine, wie dem in Halle, übrig haben. Aber jetzt müssen mit Aktionismus schnell schuldige präsentiert werden. Also hier bin ich.

      Sportschütze, Ger, Teil des Problems, bietet sich ja an. Ablenkung. Nicht handeln, es wäre zu komplex den braunen Sumpf trocken zu legen. Gesetze anwenden, Beamte einstellen (und vorher überprüfen), nein. Sündenböcke präsentieren, OK, schnell einfach wirkungslos.

      Die anderen, die haben reagiert, die haben schon gesagt: Wählt uns, den Quatsch nehmen wir zurück, da machen wir nicht mit dem Gesetzesvorschlag von Herrn Seehofer; wählt uns. Bei 3 Mio. Menschen, die zu 95% wählen gehen, aus Eigeninteresse wählen gehen, die jetzt keine Optionen mehr sehen, habe ich Sorgen was da dabei rauskommt. 37 Mio. Wahlberechtigte davon 63%, sagen wir 67% aktiv bedeutet das vermutlich 12% Wähler der Gesamtmenge aller Wähler, aller Partei, von CDU und CSU die Rattenfänger wählen, weil sie glauben keine Wahl mehr zu haben. Das macht mir Angst. Echte Angst.
      Das würde eine Prognose von 30% AfD in der nächsten Bundestagswahl bedeuten, als stärkste Partei. und wenn es nur 6% sind bedeutet das eine Katastrophe.

      Das einzige was mich positiv stimmt, als ich sah wie er versuchte die Tür aufzuschießen, was eigentlich gehen müsste, war der Spruch oberhalb einer Synagoge: „Dies ist das Tor des Herrn, der gerechte tritt hindurch“

  5. Avatar von Yankel Moishe
    Yankel Moishe

    Irgendwie beschleicht mich der Verdacht, Jemand wollte uns daran erinnern, dass wir uns im גלות befinden.
    Habe mir kürzlich aus aktuellem Anlass diesen bekannten משך חכמה angeschaut…

    1. Avatar von Yankel Moishe
      Yankel Moishe

      Nicht hilfreich, wenn der (harmlose Sefaria-) Link von der Moderation entfernt wird. Dann wird der Beitrag etwas sinnlos. Dann doch lieber nicht veröffentlichen.

      Weiterer Gedanke: Die Idee, dass unser Schutz nicht von der deutschen Polizei kommt, sondern letztlich von Woanders her rührt, passt doch gut zu סוכות.

      1. Es wäre sinnvoll, u.U. zu fragen, ob die Moderation etwas entfernt habe. Das hat sie nämlich nicht. Unterstellungen sind schnell gemacht, doch manchmal irrt der Unterstellende sehr.

        Will heißen: In Ihrem Beitrag ist kein Link beigefügt. Wenn Sie Ihn nachreichen würden, könnte ich ihn einfügen.

      2. Ich bin 77 Jahre alt und habe immer wieder erleben müsssen, wie tief dieser antisimetische Sumpf immer noch ist. Ich schäme mich dafür und kann mich nur entschuldigen, dass dieser antisemitische Sumpf noch immer nicht trockengelegt wurde

  6. Als Lesetipp zu Halle, hier ein ausgesprochen wichtiger Text:

    http://www.hagalil.com/2019/10/was-geschah-in-halle/#more-56348

    Was geschah in Halle?
    21. Oktober 2019 – 22 Tishri 5780

    Nach jeder rechten Gewalttat wird wiederholt, es handle sich um Einzeltäter. Gegen die Kaschierung nazifreundlicher Haltungen…

    Eine Analyse von Esther Dischereit

  7. Sie fragen nach Taten aus der Politik. Vergebene Liebesmüh. Denken Sie an Syrien, an die Kurden, an Flüchtlinge, an die Türkei, an Länder deren Regierungen immer rechter, dümmer und grausamer werden. Wer hebt hier die Stimme, wer verweigert sich diesem Tun, wer gebietet Einhalt mit allen Konsequenzen? Ich fürchte, niemand. Niemand will auf wirtschaftlichen Wohlstand verzichten, auch dann nicht, wenn dieser z. B. aus Waffenhandel resultiert. Das ist mein persönliches trauriges Fazit. Uns geht es zu gut. Wir wollen nicht kämpfen, aufmucksen, querschlagen. Wahrscheinlich können wir auch gar nicht, so träge und dekadent wie wir geworden sind. Halle? Morgen nur noch ein Nach-Hallen. Es bleibt nur eines: auf die vielen, wirklich vielen, kleinen Gesten von mir und Dir und Anderen vertrauen. Auf die „grosse“ Politik würde ich nicht warten.

  8. Sehr geehrte Frau Großmann,
    vor einigen Monaten durfte ich ein Interview von Ihnen im Radio hören, was mich sehr berührt und betroffen gemacht hat. Nun habe ich Ihren Beitrag zu dem Attentat in Halle gelesen und möchte Ihnen mitteilen, was ich im letzten Jahr im privaten Kreis unternommen habe, um gegen Hass und Hetze vorzugehen. Ich habe vor Ostern 2018 einen Brief an meine Verwandte und Freunde geschrieben und meine Angst und mein Unverständnis zu den aktuellen politischen Entwicklungen, die Zunahme von rechten Gedankengut etc. zum Ausdruck gebracht. In dem Brief habe ich auch über meine Erinnerungen an meinen Geschichtsunterricht in der Schule berichtet, wie geschockt ich damals über die Greueltaten des Dritten Reichs gewesen bin und mir nicht erklären konnte, wie das geschehen konnte. Damals war ich mir sicher, dass so etwas in Deutschland nie wieder passieren kann und dass ich hoffentlich den Mut habe, wenn wirklich wieder ähnliches entstehen würde, dagegen anzugehen. Und nun nehmen von Jahr zur Jahr die fremdenfeindlichen, antisemitischen Angriffe zu, eine rechte Partei hat es wieder in alle Parlamente geschafft. Es werden Ängste gechürt, immer wieder die gleichen Muster. Ich habe in dem Brief an meine Freunde und Verwandte apelliert, sich für eine humane Gesellschaft, für die Menschenrechte einzusetzen. Sich nicht von der rechten Propaganda beeinflussen zu lassen. Ich denke, wir müssen alle neben öffentlichen Demonstrationen auch in unserem privaten Umfeld „Farbe bekennen“. Wir können heute nicht mehr wegschauen. Das war mir wichtig, Ihnen mitzuteilen. Gott beschütze Sie und Ihre Familie!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert