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Der letzte Sommer in Freudental

Freudental ist ein besonderer Ort, man hat dort die jüdische Geschichte des Ortes nicht vergessen. Eine jüdische Geschichte, die für diesen Teil Deutschlands nichts Ungewöhnliches war. Nicht ungewöhnliches, dass es in Orten, wie auch Freudental, 50% und mehr jüdische Bevölkerung gab. Auch in Freudental gibt es die Synagoge noch. Sie ist inzwischen ein Bildungszentrum. Was ungewöhnlich an Freudental ist: Es gibt Fotos des letzten Sommers freudentaler Juden. Ein Zufallsfund. Ein Zufall auch, dass Abzüge dieser Aufnahmen wieder ihren Weg nach Freudental fanden, wo sie ausgestellt waren.

Gemacht hat sie mit seiner Rolleiflex Erich Sonnemann, der zu Eric Sonneman wurde, als er in den USA ein neues Leben beginnen konnte. Es war sein letzter Sommer bei der Familie und Freunden in Freudental. Die Fotos zeigen die Menschen des Ortes, die bis zum Sommer 38 geblieben waren. Menschen, die nicht viel später deportiert wurden. Menschen, die gezwungen wurden, dem Brennen der Synagogeneinrichtung zuzusehen. Das Brennen der Synagoge war zu gefährlich, war sie doch zwischen anderen Häusern gebaut. Menschen zwischen Hoffen und Resignation, vielleicht. Wir wissen es nicht.

Es scheint ein normaler Sommer auf dem Land zu sein. Die Ernte des Bauern und Onkels braucht jede Hilfe. Fast romantisch erscheinen die Bilder und doch wissen wir heute, was folgen wird. Es sind Bilder des Abschieds und Bilder der Erinnerung. Es sind Bilder, die noch existieren, die die Geschichten der Menschen erzählen, ihre Gesichter, ihr Lächeln zeigen. Bilder gemacht, um sich ihrer zu erinnern, im Bewusstsein, sie vielleicht ein letztes Mal gesehen zu haben.

Sie haben Macht, diese Bilder. Lassen nachdenken und vielleicht auch überlegen, dass eben nicht alles so deutlich sichtbar war, wie wir heute glauben mögen. Diese Bilder zeigen mehr – und sollten mehr gesehen werden.

Publikation: Freudentaler Blätter: Der letzte Sommer/ The Last Summer


Bild: Weizenernte bei Sonnenaufgang, Eric Sonnemann


 

3 Kommentare

  1. Welch schöner, schlichter Text. Und wie wunderbar, dass die Bilder jetzt der Öffentlichkeit zugänglich sind. Danke.

  2. Kai Kai

    Hi,

    ich hatte das Glück sowohl die Ausstellung im PKC besuchen zu können als auch das Buch zu lesen.

    Es ist auf jeden fall empfehlenswert. Hierdurch wird noch deutlicher welche verbrechen damals an den Menschen begangen wurde.

    Betrachtet man unser heutiges Miteinander und lässt die Geschichte des Buches auf sich wirken so kann man es definitiv mit der Angst zu tun bekommen.
    Ohne auf einzelne Parteien eingehen zu wollen unsere Demokratie ist nicht mehr so sicher wie sie war.

    Wir sollten aufmerksam und wachsam in die Zukunft und auf unsere Gegenwart schauen um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Noch sind wir Demokraten und Bundesbürger die Mehrheit, aber wie lange noch? Wie viele Fehler wollen wir noch machen?
    Es wird höchste Zeit die Wehrpflicht wieder einzuführen um das Militär wieder in die Gesellschaft einzubinden.
    Muss jede Meinungsbildende Partei zur Wahl zugelassen werden?
    Erfüllen nicht manches „provokante“ zu Wahlkampfzwecken verwendete Zitat bereits den §130 und ist zu ahnden?
    Wir sollten uns mit der Tatsache vertraut machen, dass wir das Recht und die Freiheiten Verteidigen müssen, dass sind wir unseren Eltern, Großeltern, unseren Nachbarn und den Opfern der dunkelsten aller Zeiten schlicht weg schuldig.

    Lest das Buch, vielleicht vorher noch das Kriegstagebuch eines Juden von Julius Marx, und reflektiert darüber. es ist vielleicht noch nicht die Zeit der Kristallnacht, aber den Niedergang Weimars beschreiten wir gerade.

  3. Iggi Iggi

    Wegen solcher Texte lese ich Deinen Blog! ;)

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