Zum Inhalt springen

Was wäre wenn?

Heute Abend beginnt Tischa BeAv. Der Tag, der als der dunkelste im jüdischen Kalender bezeichnet wird, der Tag, an dem immer wieder schreckliche Dinge passierten: Der erste Weltkrieg brach aus, die Juden wurden aus Spanien vertrieben, sie wurden aus England vertrieben. Doch fragt man nach dem bedeutendsten schwerwiegendsten Ereignis, so wird mit Sicherheit die Zerstörung des Tempels genannt und mit ihm die Vertreibung der Juden durch die Römer im Jahre 70 u.Z. . Jerusalem wurde an dem Tag zerstört, der erste Tempel wurde an diesem Tag zerstört… Fast hält man in jedem Jahr die Luft an diesem Tag an und hofft, dass sich nichts mehr ereignen möge. Es ist ein Fasten- ein Trauertag.

Und ich frage mich: Was wäre wenn? Was wäre gewesen, wäre der Tempel nicht zerstört worden, wären die Juden nicht aus ihrem Land getrieben worden? Würden wir noch heute dem Tempeldienst so betreiben, wie damals? Wäre der Tempel überhaupt noch gut genug in Schuss und wäre er nicht vielleicht noch viele Male umgebaut worden? Und was wäre ohne die Vertreibung aus dem Land geschehen? Wären die Gemeinden außerhalb weiter gewachsen? Würden wir in Frieden leben? Was wäre geworden, hätte Konstantin nicht eine Religion zur Staatsreligion ausgerufen im Anspruch, andere wären weniger wert*? Was wäre, wenn es überhaupt der Anspruch einiger über die alleinige Wahrheit nicht gegeben hätte. Was wäre, würden wir noch heute die antike Vielfalt leben? Und würden wir heute die Pilgerfeste noch als solche feiern? Das Pilgern zum Tempel? Gäbe es vegane Alternativen zum Tempelopfer?

Ich weiß die Antworten nicht. Ich frage mich nur dann und wann: Was wäre wenn?


*Nein, das geschah nicht am 9. Av, es kam mir nur in den Sinn

Informationen zum Tag gibt es hier von Masorti | Reform (English) | Chabat


Bild: Treppe an der Südseite des Tempelberges, Jerusalem, by Wilson44691 , from Wikimedia Commons

2 Kommentare

  1. Dank meiner Besucher*nen, ward dieses Fest heute und hier gefeiert. Ich habe gelernt.

    Die junge Nichte fragte ähnlich und anders: Hätte ich dann eine Uroma. Fünf ist sie , die Tochter jüdischer Frauen.

    Manchmal frage ich mich auch was wäre, wenn, in Richtung Vergangenheit lande ich, in dem was geschehen, kann anderes sehen darin und daraus mich im lernen üben.

  2. C.B C.B

    Interessante Frage. Leider gibt es darauf keine Antwort. Doch eine Sache ist sicher: Wenn der Mensch endlich seinen alleinige Wahrheitsanspruch – nicht nur in religiösen Fragen – aufgäbe, dann wäre die Welt ein Stück weit friedlicher. Wahrheitsansprüche gehen oft einher mit der Sicherung der eigenen Machtposition. Diese sichern zu wollen war bisher selten bis nie durch pure Selbstlosigkeit motiviert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert