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Warum ich bei #metwo still bin

Als #metwo vor drei Tagen auf Twitter begann, habe ich überlegt, ob ich auch Erlebnisse schildern sollte. Ich tue es nicht. Inzwischen liest man zwar von antisemitischen Erfahrungen auch unter diesem Hashtag, doch nicht von mir. Warum? Dies ist eine Gelegenheit zuzuhören, zuzuhören den Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, Menschen, deren Hautfarbe anders sein mag, das Haar, die Augen. Menschen, denen immer wieder von klein auf vermittelt wird: Ihr gehört nicht zu uns. Menschen mit vermeintlich nichtdeutschen Namen. Menschen einfach, die nicht das Privileg und Glück haben, unterzutauchen. Ich habe dieses Privileg, theoretisch. Ich habe mich selbst entschieden nicht verschwinden zu wollen. Es ist meine Entscheidung sichtbar zu sein.

Wurden Sie schon einmal ungefragt berührt, weil man wissen wollte, wie sich Ihre Haut anfühlt? Mit Bananen beworfen? Ich nicht. Doch Freunde, die ich habe. Es würde keinen Unterschied machen, legte meine Freundin ihr Kopftuch ab. Ihr Name allein würde ausreichen, ihr ihr Deutschsein abzusprechen. Mein Name hingegen wird in diesem Land als sehr Deutsch wahrgenommen. Ich habe Glück. Ja, auch ich werde gefragt, wann ich wieder nach Hause gänge, ja auch ich werde gelobt, für mein gutes Deutsch. Dennoch. Ich sehe Unterschiede und vor allem die Privilegien, die ich habe.

#Metwo ist die Chance für unsere Gesellschaft, wenn wir wollen, wenn wir lesen und zuhören all den kleinen und großen Geschichten der Alltagsdiskriminierungen. Erschreckend, die Reaktionen darauf. Belehrende Töne von Menschen, die, um es vorsichtig auszudrücken, einfach keine Ahnung haben. Keine Ahnung von den täglichen Stichen. Den immer wieder in den Wunden rühren. An der Supermarktkasse, am Strand, in der Schule, im Restaurant immer wieder. Nein. es ist nicht möglich, die Dinge nicht so schwer zu nehmen. Nein, es war nicht nur ein*e Idiot*in. Es ist die Persistenz, die die Schmerzen im Erleben bereitet.

Es ist der Moment, still zu sein und unseren Freunden, unseren Nachbarn, unseren Kollegen zuzuhören. Den nun können wir sie hören. Nun erzählen sie laut und deutlich vernehmbar. Es kann niemand sagen, man habe von nichts gewusst. Doch, wir wissen. Wir wissen seit Wallraff. Wir hörten vielleicht andere Geschichten, doch verdrängten sie. Das Leben ist schöner, wenn man das Hässliche ausblendet. Doch Ausblenden und Schweigen bringt uns nicht weiter. Ich glaube noch daran, dass wir eine Chance haben, die Dinge zu ändern. Ich glaube an Bündnisse, denn oft genug muss man nur die Worte „Jude“, „Ausländer“, „Behinderter“, „Flüchtling“ etc. austauschen. Die Dummheit und Menschenverachtung dahinter bleibt gleich und oft genug sind es die Menschen.

Ich bin froh, dass so viele Ali Cans Aufruf folgten. Ich bin froh, dass der Strom der Geschichten nicht abreißt. Ich bin froh über die ehrlichen geschockten und betretenen Reaktionen. Das ist die Chance, die wir haben. Ändert etwas. Tut etwas. Für alle.

 


photo credit: garryknight No Place via photopin (license)

Ein Kommentar

  1. Ich glaube an Bündnisse, denn oft genug muss man nur die Worte „Jude“, „Ausländer“, „Behinderter“, „Flüchtling“ etc. austauschen. Die Dummheit und Menschenverachtung dahinter bleibt gleich und oft genug sind es die Menschen.

    Wieder einmal danke!

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