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Über Deutschlands Gedenkkultur – oder wie sie auch sein könnte

Über Deutschlands Gedenkkultur - oder wie sie auch sein könnte
Deutschland ist berühmt, nicht nur für seine Exporte, sein Bier, Deutschland ist auch berühmt für seine Gedenkkultur. Rühmt sich, Vorreiter zu sein. Delegationen aus aller Welt reisen an, um sich zu informieren, wie man mit den Morden im eigenen Land umgehen kann, wie gestalten. Deutschland rühmt sich dafür und hat, nach anfänglichen Vergessensversuchen hier vielleicht tatsächlich einen anderen Weg beschritten. Doch was ist dran? 
Bereits 2015 fragte ich hier:

Muss es immer das Monument sein, das das Jahr über vergessen wird und
dann pünktlich zum nächsten Jahrestag, wenn die alten Blumen weggeräumt
und neue niedergelegt wurden, bedacht wird?

 In Freiburg will man nach 78 Jahren der Zerstörung der Synagoge gedenken und reißt dafür die (Überraschung!) gefundenen Fundamente ab – gegen den Willen der Gemeinde. Chajm schrieb bereits darüber, ebenso die Jüdische Allgemeine. Es gibt beidem nichts hinzuzufügen. Ein Symptom dieses Landes und seiner Gedenkkultur. Kaum eine Rede kommt mehr damit aus, sich selbst zu loben, dafür, wie wir Denkmäler bauen. Doch ich frage: Wozu? Was nützen uns die Steine, die bronzenen Platten, die Brunnen, die Installationen, wenn das, worum es wirklich geht, nicht gelungen ist. Wenn noch immer jene, für deren Tote, Gequälte, Verfolgte diese Monumente errichtet werden, in diesem Land diskriminiert werden. Und nein, es ist keine neue Erscheinung, es ist kein plötzliches Aufflammen. Der Hass, er war nie weg, es ist eine Illusion. Was nützen all die Mahnmale, wenn wir den Kern nicht erkennen. Dass Diskriminierungen und Hass und Mord aus Rassismus keine Dinge der Vergangenheit sind, sondern dass sie hier noch heute unter uns herrschen und dass es an uns liegt, sich dem entgegenzustellen. Dass es jeden treffen kann, jederzeit. Der Hass sucht sich die Bilder, die er schon immer gern verwendete, er erweitert sich, sucht sich andere vermeintlich zu hassende Gruppen, weitet sich aus, verbreitet sich, wird als normal angesehen. Man kann nichts machen, man muss es doch verstehen. NEIN, verdammt noch mal, man muss gar nichts. Wem nützen all die Gedenkmomente, wenn man nur in die Vergangenheit sieht, wenn die Angehörigen der einstigen Opfer wieder Opfer werden, wenn man wieder ihnen die Schuld in die Schuhe schiebt, wenn man sich wieder Menschen sucht, die vermeintlich anders sind und all das Widerliche über ihnen ausschüttet, wenn Häuser für Schutzsuchende brennen vor Hass, man versucht, Moscheen anzuzünden und wenn wieder Listen herumgehen, in denen Jüdische Einrichtungen und Geschäfte aufgelistet wurden in guter Erinnerung an den 9. November 1938.
Ach bleiben Sie mir doch gestohlen mit Ihren Denkmälern, Erinnerungstafeln und fröhlich plätschernden Synagogenbrunnen, wenn Sie die Feuer die heute in Häusern und Menschen brennen nicht löschen. Wenn Sie keine Zeichen setzen gegen jede, die zünden. Wenn Sie gar zu verstehen suchen. Ja, Deutschland hat eine große Gedenkkultur – aber auch eine große, Ja-aber-wir-haben-schließlich-ein-Denkmal-errichtet,-jetzt-ist-aber-gut-und-stören-Sie-uns-nicht-weiter-Kultur.
Erinnern fängt innen an, im Menschen. Nicht außen mit dem Friedhofskranz in der Hand, den Kopf gesenkt vor steingewordener Gedenkzurschaustellung. Lassen Sie uns gemeinsam den Hass ersticken und dass lauter werden, was das Leben lebenswert macht. Und lassen Sie uns den Opfern den einzigen Respekt erweisen, der zählt, aus dem gelernt zu haben, was einst vorging und verhindern, dass je wieder Menschen leiden müssen, weil andere hassen. Lassen Sie uns der Welt zeigen, dass wir nicht nur Denkmäler bauen können, dass wir nicht nur  Ich weiß, wir können das, denn ich weiß, wir sind viele.
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