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Me Too – außer du bist jüdisch

Wie fängt man so einen Text an? Vielleicht so, dass ich mich entsinne, wie wir damals 2007 am JMB darüber sprachen, ob man Vergewaltigungen als Kriegswaffe thematisieren dürften. Damals ging es nicht um Geschichte, es ging um die Gegenwart, die Gegenwart der Frauen in Darfur. Ganz vorsichtig begann damals die Anerkennung von sexualisierter Gewalt, ganz besonders gegenüber Frauen als Kriegswaffe.

Nach dem 7. Oktober wurde das Schweigen über sexualisierte Gewalt durch die Terroristen der Hamas an Frauen in Israel schnell still und sehr laut still. Ist es ein Tabu? Am vergangenen Samstag, 25. November, fand der „Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ statt. Niemand Geringeres als die UN selbst hat diesen wichtigen Tag ins Leben gerufen – nur ist man (wieder) erstaunlich still, geht es um den 7. Oktober. Die Täter der Hamas haben ihre Gräueltaten stolz per Kamera dokumentiert und übertragen. Aufgrund dessen wird von Hunderten Angriffen, Vergewaltigungen und Morden an Frauen in Israel ausgegangen. 84 Frauen wurden als Geiseln genommen. Und die UN? Sie schweigt. Sie schweigt nicht nur, sie weigert sich offenbar, die Gewalt gegen (vermeintlich) jüdische Frauen anzuerkennen oder gar diese Verbrechen der Hamas anzuerkennen. Bereits Anfang November wurden Videos mit Verhören von Hamasterroristen veröffentlicht: Es gab eine Anweisung, Frauen zu vergewaltigen. Das taten sie: Jüdinnen und Muslima – nur weil sie auf dem Gebiet Israels lebten oder aufhielten. Und offenbar erzählten sie stolz ihren Müttern von diesen Taten.

Doch nicht nur die UN schweigt laut, auch andere feministische Organisationen scheinen von je her Unterschiede zu machen zwischen Jüdinnen und in Israel lebenden Frauen und dem Rest der Welt.

„Die Rechte, der Körper, die Seele und die physische Sicherheit israelischer und jüdischer Frauen nicht so wertvoll sind wie die anderer Frauen.“

Noa Matz

Es ist erstaunlich und dennoch wenig überraschend. Einige wenige Berichte dazu gibt es in den deutschen Medien. Einer von ihnen am internationalen Tag der Frauenrechte selbst im ZDF. Ein kleiner Lichtblick. Nicht allen scheint das Thema so egal zu sein, nicht alle sind so distanziert. Doch was interessiert es die Vereinten Nationen?

Immer wieder wird auf die Genfer Konvention verwiesen. Immer wieder diese Israel vorgehalten. Doch sich selbst durchzulesen, dass dort steht:

Die Frauen sollen besonders vor jedem Angriff auf ihre Ehre und namentlich vor Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und jeder unzüchtigen Handlung geschützt werden.

Genfer Konvention, Teil II, Abschnitt II, Artikel 27

Das wurden sie nicht. Um so wichtiger wäre die weltweite Verurteilung der Taten der Hamas an den Frauen. Doch was geschieht? Schweigen. Viel mehr noch, diese Taten werden als „Widerstand“ ausgelegt. Das laute Ja, aber!. Sie sind kein Widerstand. Im Gegenteil. Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs führt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ebenso auf:

Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere;

Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, Artikel 7
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Abschnitt g

Die Situation wurde mit den Wochen so absurd, dass das israelische Außenministerium eine Kampagne startete: #BelieveIsraeliWomen. Ernsthaft? Muss man dafür werben, den Frauen zu glauben, den Filmaufnahmen, den stolzen Geständnissen? Es scheint so. MeToo – außer Du bist jüdisch.

Claire Waxman, Opferbeauftragte Londons, fragte laut einem Bericht in unherd.com, die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reed Alsalem, warum die UN schweigt. Laut Alsalem wären die Beweise nicht stichhaltig genug, um ein Kommentar der UN zu rechtfertigen. Nochmals, die Täter haben ihre Taten gefilmt. Waxman fragte darauf hin in deutlichen Worten:

„Wie können wir über die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sprechen, wenn wir stillschweigend sagen, dass es akzeptabel ist, jüdische Frauen zu vergewaltigen?“

Clair Waxmann in „MeToo unless you’re a Jew
Feminist groups are whitewashing Hamas’s crimes“
von Nicole Lampert

Doch nicht nur das Außenministerium war tätig. Kurz nach den Ereignissen, als deutlich wurde, was hier gerade passiert, starteten einige Frauen, darunter auch solche, die Familienmitglieder unter den Geiseln der Hamas haben, eine weitere Kampagne, eben: #MeToo_UNless_UR_a_Jew. Sie fragen, warum die UN und ganz besonders jene, die doch die Frauen schützen soll, hier so laut schweigt. Es ist ein Kampf von Frauen in Israel für Frauen in Israel – nicht nur jüdischen. Es ist ein Kampf für Opfer, die bewusst nicht gesehen werden sollen, denen kein Status zuerkannt werden soll. Die Kampagne beinhaltet eine Petition, die man unterzeichnen kann, will man sich nicht am Schweigen beteiligen. Auf Instagram gibt es einen eigenen Account, der informiert. Auch wenn es auf der Welt vergleichsweise wenige jüdische Frauen gibt und noch weniger in Israel, so ist Frauenrecht gleich zu achten – auch durch die Vereinten Nationen und feministischen Organisationen. Und da dies nicht geschieht, braucht es Menschen, die nicht still sind, die sich dem Schweigen nicht anschließen. Während ich dies schreibe, sind es (nur) 297.257 Stimmen, eine Million ist das Ziel.

Me Too - außer du bist jüdisch
Bild aus der Kampagne von #MeToo_Unless_Ur_A_Jew

Bilder aus der Kampagne von #MeToo_Unless_Ur_A_Jew


Nachtrag 1. Dezember 2023: Fast zwei Monate nach den Massakern an Frauen in Israel am 7. Oktober hat es UN Women endlich geschafft, ein Statement herauszugeben. Es hat trotz aller Beweise 55 Tage gebraucht, bis die Organisation ihre Vorbehalte aufgab und mit dünnen Worten innerhalb ihrer noch laufenden Wochen gegen Gewalt an Frauen eine Äußerung von sich gibt. Man kann sie hier auf Englisch in der Zentrale und hier bei UN Women Deutschland finden. Hinweisen möchte ich aber auch auf die Möglichkeit, dort für Frauen und Mädchen in Gaza zu spenden – oder vielleicht näher dran an Transaidency e.V. oder die KIgA, die Arbeit in Deutschland für den Dialog machen und denen ich persönlich vertraue.


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3 Kommentare

  1. Wolfgang Wolfgang

    Ich habe das Buch „Schonzeit Vorbei“ gelesen. Bis auf wenige Stellen hat es mir hervorragend gefallen. Vielleicht können wir eine Lesung in Fulda organisieren.

  2. Kai Kai

    Die UN ist in weiten Teilen ohnehin unterwandert. Als man 2008 noch davor warnte wie die Hamas vorgeht, wo sich Terroristen verstecken, welche Mitarbeiter korrumpiert sind, kann man heute feststellen das man erfolgreich die neutralen Mitarbeiter entfernt hat und die Antisemiten in einigen Teilen in der Verantwortung sind.

    Und Neutralität hilft hier nicht, da sie nur dazu beiträgt Missstände zu tolerieren, Gewalt und Terror zu relativieren und Gewalttäter zu akzeptieren….

    • „We must always take sides. Neutrality helps the oppressor, never the victim.“ – Elie Wiesel

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