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Der Talmud auf Talmud.de

Mein Weg zum Judentum war kein gerader. Mit Anfang 20 musste oder besser wollte ich all das nachholen, das andere in ihrer Jugend und Kindheit lernen konnten. Der Weg war mangels Literatur nicht einfach. Anders als heute war das Angebot allgemeinverständlicher Literatur, vor allem ohne christlichem Hintergrund, so gut wie nicht vorhanden.

Zum Glück gab es das Internet und in ihm nicht nur das allseits bekannte haGalil, vor allem gab es Talmud.de. Ich las und lernte viel von den Seiten, die zu keiner Universität gehören. Zum Glück. Talmud.de gibt es auch heute noch. Es ist die Seite, die ich empfehle, wenn Menschen Informationen zum Judentum suchen.

Seit Anfang Januar gibt es ein neues Schmankerl auf der Seite: Die deutsche Übersetzung des Talmuds nach Lazarus Goldschmidt. Wer Chajm ein wenig kennt, weiß, dass er einen Faible dafür hat, alte Bücher neu lesbar zu machen, ich verweise gern auf die Toraübersetzung, die es auch als Ebok gibt und das Buch der Haftarot.

Bisher haben Chajm Guski und Igor Itkin (Mischna Podcast) es geschafft, aus einem Scan des alten gedruckten Buches unglaubliche 165.738 Wörter mit 2287 Fußnoten zu verarbeiten. Die Traktate Pessachim und Megilla stehen somit gemeinfrei (!) für alle Menschen offen.

Wer schon einmal versucht hat, mittels OCR ein altes Buch in bearbeitbaren Text umzuwandeln, kann vermutlich nur eine Ahnung von dem haben, was beide hier ehrenamtlich (!) geleistet haben. Denn Unterstützung gab es nicht.

Auch kein Interesse an einer gedruckten oder Ebook-Version, die mehr wäre als einfach nur eine Bildkopie des Originals, scheint verlagsseitig nicht zu bestehen. Es lohnt sich wohl nicht und das ist ein Verlust für das deutschsprachige Judentum. Daran ist m.E. generell das Interesse von Verlagen zu Themen dieser Richtung zu sehen, es sei denn natürlich, jemand will sich einen Namen machen und seinen Namen groß selbst auf der ersten Seite von Siddurim und ähnlichem sehen. Sowas soll es ja geben.

So bleibt es vorerst mit der Onlineversion, die in ihrer Schlichtheit für mich gerade gewinnt: Nichts lenkt ab vom Text, wie es von den beiden Machern vorgesehen war: Der Text steht im Mittelpunkt.

Vielleicht wird dieses seltsame 1700-Jahre-Jahr auch ein Gutes haben, z.B., dass solchen Projekten mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es braucht nicht immer großes Brimborium, sondern schlicht Menschen, die einfach tun. Das haben Chajm und Igor getan, dafür gebührt ihnen Dank.


photo credit: TikkunGer IMG_1282 via photopin (license)

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