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Buchbetrachtung: Jewish Roulette von Shelley Kästner

Jewish Roulette. Einen Namen in einer Suchmaschine eingeben und schauen, ob die Menschen jüdische Verwandte haben. Dieses Spiel, das im Gespräch mit Shelley Kästners damals 14jährigen Sohn entstand, wurde zum Titel eines Buches in dem 21 Menschen mit sehr unterschiedlichen Beziehungen zum Judentum zu Wort kommen. Der Untertitel verspricht bereits: „Vom jüdischen Erzbischof bis zum atheistischen Orthodoxen“.

Im Buch von Shelley Kästner, einer Schweizer Psychologin findet man einen winzigen Ausschnitt der Vielfalt irgendwie jüdischer Identitäten. Es sind Gespräche, über Jahre gesammelt, aufbewahrt und nun zu Papier gebracht. So finden wir die jüdisch-orthodox-schweizerische Bauernfamilie, die seit Jahrhunderten im Land ansässig ist, wie die Überlebenden der Shoa, denen es gelang, in die Schweiz zu fliehen. Die momentan viel beachteten „Aussteiger“ aus der Orthodoxie erzählen ihre Geschichte, wie der schon erwähnte Erzbischof, wie die Konvertiten aus unterschiedlichen Gründen und Ambitionen. Es ist ein breit gefächertes Ensemble an Menschen, so breit gefächert wie Menschen sind. Oft habe ich beim Lesen überlegt, was wohl geschehen wäre, hätten all diese Menschen an einem Tisch gesessen und miteinander reden können. Vermutlich wäre es ein typischer lauter Tisch gewesen, an dem das Unterbrechen im Satz nicht als Unhöflichkeit sondern als Interesse gewertet wird, ein Tisch, an dem man sich anschreit und dennoch achtet. Es wären Menschen aufeinander getroffen, für die die Religion das Zentrum des Lebens ist, die Rituale und Gebete, Menschen für die Religion überhaupt keine Rolle spielt, die sie als Belastung empfinden und sich fragen, warum kann ich das nicht hinter mit lassen? Es wäre ein Tisch gewesen, an dem ich gern gesessen hätte, zugehört und vielleicht auch irgendwann mitgestritten. So bleibt ein Buch und etwas Fantasie.

Wer sich nun fragt, ob der Name der Autorin, etwas mit DEM Kästner zu tun habe, ja, das hat er. Die Geschichte dahinter mit einem allgegenwärtigen Bevormundungsgefühl den Nachfahren gegenüber, findet man ebenso im Buch.

 

Shelley Kästner: Jewish Roulette. Vom jüdischen Erzbischof zum atheistischen Orthodoxen. 21 Gespräche; erschienen bei Salis Verlag AG, Zürich, 2018, ISBN 978-3-906195-78-0

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