Gelegentlich gibt es Überraschungen. Überraschungen in Museen, in Ausstellungen und in uns selbst. So erwartete ich unter dem Titel „Sparen. Geschichte einer deutschen Tugend“ nicht viel, als ich ins DHM ging. Mit der Ausstellung zur Geschichte des Geldes im Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz war ich allerdings schon einmal mit der spannenden Geschichte des Geldes, warum also nicht auch des Sparens überrascht worden. Dann also:
Na, dann wollen wa mal. #dhmsparen pic.twitter.com/nio3gVFC0P
— Juna (@IrgendwieJuna) 23. März 2018
Wir hatten das große Vergnügen vom inzwischen heiseren Kurator Robert Muschalla selbst geführt zu werden. Eine kurze Zusammenfassung des scheinbar drögen Themas:
Allerdings, und so wurde mir erst vor Ort bewusst, ist der Blickwinkel auf das Thema nicht der Deutsche, sondern vielmehr
So ist es vermutlich auch nur für uns überraschend, dass die Ausstellung international bereits zu ihrer Eröffnung große Resonanz fand – das erklärt auch den heiseren Kurator. In Deutschland allerdings…nun ja. Vielleicht ist das Thema eben so selbstverständlich oder eben auch so dröge besetzt, wie nicht nur ich den Eindruck hatte.
Die Ausstellung bietet eine Reise durch die Zeit, der Entstehung der ersten Sparverbände, der Sparkassen, Raiffeisenbanken, die Entstehung des Sparens und der schon immer nationalistischen Konnotation des Sparens.
Robert Muschalla hat, und dafür sei ihm hoffentlich nicht nur mein Dank gewiss, einen Nebenstrang der Geschichte aufgemacht oder besser, lenkt immer wieder den Blick dorthin: Antisemitismus. Er beginnt mit den ersten sparbezogenen Pogromen in Italien im 15. Jahrhundert.
Dieser scheint sich, wie ein roter Faden durch die Geschichte zu ziehen. Heute sind diese alten Ressentiments wieder aus den Schubladen geholt, werden unverhohlen von sich gegeben und als Tatsachen betrachtet.
Dieser immer wiederkehrende Aspekt und die Verbindung des Sparens als nationale Eigenart geht scheinbar ununterbrochen einher mit dem Hass auf Juden im damaligen Reich. Auch Mythen, wie diese, dass Hitler an die Macht kam, weil es Deutschland so schlecht ging versucht Muschalla zu entzaubern.
Die Reise geht weiter zu Begriffen wie „Brechung der Zinsknechtschaft“, Sparen für den KdF-Wagen oder die KdF-Reise. Letztere sind um die wohl makabersten Objekte der Ausstellung gegliedert, einer Sparkarte für Ostarbeiter*innen, die so zu mehr Leistung motiviert werden sollten und einer Sparkarte des Ghettos Theresienstadt, die für die Delegation des Roten Kreuzes dort erfunden wurde, um eine heile Welt darzustellen. Heile Welt im nationalsozialistischem Sinne heißt eben auch Sparen.
Wir gehen weiter in die Zeit des Wirtschaftswunders. Werbung zum Sparen in allen Farbpaletten, Werbung, die bald in einem Teil Deutschlands eingestellt wurde, denn was sollte man mit dem gesparten Geld tun. Die gute Hausfrau, die auch vor dem Krieg die Kasse zusammenhielt, das Klischee wird weiter bedient.
Und Sie so? Geschlechterrollen beim sparen. #DHMSparen pic.twitter.com/sNN8C5ESir
— Juna (@IrgendwieJuna) 23. März 2018
Die letzte Krise mit der Reaktion der Berliner Sparkasse in Form eines „Goldenen Sparbuchs“ beenden die Reise, die durch interaktive Elemente und reichlich Informationen im Epilog abgeschlossen wird. Vor allem zwei Erkenntnisse: Deutschland ist nicht Sparweltmeister und 40% aller Deutschen können überhaupt nicht sparen, da sie nicht über die Mittel verfügen. Dennoch vermittelt die Gesellschaft den Eindruck, dass Vermögensbildung an Leistung gekoppelt sei.
Ich werde mit Sicherheit noch einmal in Ruhe die Ausstellung besuchen und mir auch die Werbefilme ansehen, für die leider keine Zeit blieb. Diese Ausstellung ist eine positive Überraschung, die kritisch hinterfragt und zur Diskussion anregen will. Genau das, was m.E. die Aufgabe von Museen ist. Danke für die spannende Führung und diese Ausstellung!
Sparen. Geschichte einer deutschen Tugend. ist bis zum 26. August 2018 im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen. Empfehlenswert unbedingt eine Kuratorenführungen, z.B: am 11. April und am 20. Juni um jeweils 18 Uhr. Öffentliche Führungen gibt es auch für Blinde und Sehbehinderte, in deutscher Gebärdensprache und einfacher Sprache. Die Ausstellung selbst ist in weiten Teilen barrierefrei!
Und worauf sparen Sie? #DHMSparen pic.twitter.com/EvOh7Xrt9W
— Juna (@IrgendwieJuna) 23. März 2018
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