Vom 24. März bis 20. August 2023 zeigt das Museum für Fotografie eine Ausstellung der Gedenkstätte Yad Vashem zu Fotografie im Holocaust – die Fotografie der Täter:innen und der der Opfer.
Es ist dunkel im großen Raum ganz oben über all der Mode und der schönen Frauen, die Helmut Newton fotografierte. Ein Kontrast, wie er stärker nicht sein kann. Die Ausstellung erklärt zunächst eine kleine Geschichte der Fotografie und gleich zu Beginn wird auch das Fotografietechnikherz erfreut: Eine Fotografieausstellung, in der auch Kameras gezeigt werden. Zwar ist die Leica, die für den Beginn der Kleinbildfotografie gezeigt wird, ein späteres Modell aus den 30er-Jahren, doch handelt es sich hier nicht um einen Apparat mit persönlicher Geschichte wie im Rest der Ausstellung. Dreht man sich nun herum, so sieht man den Raum geteilt in zwei Stränge, was mir persönlich erst bewusst wurde, nachdem ich meinen Rundgang beendet hatte.
Links geht es direkt in die Propagandafotografie. Ausführlich werden Nutzen und Wirken der Propagandafotografie dargestellt. Die Ausführlichkeit, mit der Leni Riefenstahl gezeigt wird und hier meine ich wirklich sie, weniger ihre Arbeit, eher Riefenstahl bei der Arbeit verstört. Anders hingegen der Leibfotograf Adolf Hitlers, der im Vergleich nur am Rande erscheint, ganz zu schweigen von seiner Assistentin Eva Braun, die auch das einzige Foto Hoffmanns mit Hitler auf dem Rhein gemacht haben könnte. Kein Wort von ihr.
Von geradezu leuchtender, strahlender Abbildung geht es in den Kriegsverlauf, in dem Fotografen und Kameramänner nicht nur an die Front, sondern auch in die Ghettos geschickt werden. Der Ausstellungstext macht hier aufmerksam, dass nicht nur Deutsche in den Ghettos fotografierten, sondern auch jüdische Menschen, geheim oder im Auftrag – bei letzterem dennoch einen anderen Blick lieferten. Das Problem: Nach dieser Beschreibung geht es ausschließlich mit deutschen Fotografen weiter. Es finden sich Porträts, aufgenommen, um die sogenannte „rassische Minderwertigkeit“ zu beweisen, Aufnahmen der Lebensbedingungen, aber auch Propagandafotos, dafür, wie „sauber und ordentlich“ die Menschen nun arbeiten (können). Fast sind es zu viele Bilder, zu viele Schicksale. Beginnt man, sich darin einzufinden, sieht man sich bereits amerikanischen und später sowjetischen Fotografen gegenüber, die die Befreiung der Lager dokumentierten. In diesem Moment fand ich mich bereits das erste Mal verwirrt: Die Ankündigung versprach anderes. Was habe ich falsch gemacht?
Vorbei am anderen Ende des großen Leuchttisches, der den Raum teilt. Hier finden sich die Arbeiten jüdischer Fotografen. Aufgenommen heimlich oder im Auftrag der „Judenräte“. Versuche, die Produktivität und damit Überlebensbedeutung der Menschen und ihrer Arbeit zu beweisen. Aber eben auch heimliche Aufnahmen von Deportationen, Lebensbedingungen, Porträts. Unter Lebensgefahr aufgenommen, da verboten. Allein schon der Besitz eines Fotoapparates für einen jüdischen Menschen war seit November 1941 verboten. Und doch gelang es. Einzelne dieser Apparate finden sich mit den Geschichten ihrer ehemaligen Besitzer:innen ebenfalls in der Ausstellung.
In einem Video zeigt einer dieser heimlichen Fotografen in einem älteren Interview, wie er seine Leica unter dem Mantel versteckte und so das fotografieren konnte, was nicht fotografiert werden durfte. Hier nun wird die Ausstellung persönlich. Und ich verstehe, was mich verwirrt. Es scheint so, dass man die Ausstellung nicht im Rundgang, sondern beides von vorn besuchen soll: Rechts die jüdischen Fotografen und ihre Arbeiten, links die deutschen.
Deutlich wird, dass die Kamera sowohl Überlebenshilfe als auch höchstes Risiko war. Die schiere Menge der Bilder des Holocausts kommt wohl durch den Lichttisch ins Bewusstsein, der eng belegt ist mit Fotos reproduziert als Positive. Eine Menge, die sich vom Propagandamittel zum Beweis gegen die Kriegsverbrecher wandeln wird.
Hervorheben möchte ich die sehr angenehmen Aufsichtskräfte des Hauses. Niemand kommt zu nah, kein Plaudern, aufmerksam zur Stelle, sollten Gäste Hilfe brauchen. Wenn der Funk jetzt noch über Kopfhörer laufen könnte, wäre es perfekt.
Begleitprogramm
Beachtenswert ist zudem das Begleitprogramm, auf das man weniger aufmerksam gemacht wird, was ich aber nicht versäumen möchte hervorzuheben. Angeboten werden nicht nur die üblichen Führungen in der Ausstellung sondern auch weitreichende Fortbildungen für Lehrkräfte zum Thema Fotografien des Holocaust, wie kann man sie lesen, von wem stammen sie, aber auch Fortbildungen zu Antisemitismus in Schule und Unterricht, ein Argumentationstraining bei Diskriminierungen im Unterricht und Zusammenkünfte des Arbeitskreises Kultur, Politik und Bildung mit dem Schwerpunkt auf dieser Ausstellung. Auch für Schülerinnen und Schüler gibt es ein Workshopangebot. Anders als die Führungsangebote sind alle Fortbildungen und Workshops kostenlos. Einen Blick auf das gesamte Programm möchte ich hier empfehlen.
Kritik
Die Übersetzung. Es ist eine Ausstellung, die wohl ursprünglich auch auf Englisch gezeigt wurde. Diese Texte wurden nun, ohne Rücksicht auf die Dinge, die sie beschreiben zum Großteil falsch übersetzt. Falsch deshalb, weil nicht einmal die Beschriftungen der Fotografien, die im Original die deutsche Beschriftung zeigen, nicht stimmen. Zunächst verstand ich nicht, wie das sein kann, bis ich die englischen Beschriftungen abglich. Es ist, und man möge mir hier verzeihen, völlig unverständlich, wie so etwas abgenommen werden kann. Was ist daran so schwer, ab Originalobjekt abzugleichen – auch für den einzigen jiddischen Satz hätte sich jemand gefunden, der ihn richtig gelesen hätte. Man sieht, das ärgerte mich, auch als Museumsmensch, sehr. Im Buchladen des Museums erfuhr ich zudem nebenher, dass auch der deutsche Katalog nicht gerade in Sachen Übersetzung glänzen würde.
Geräusche: Alle Filme laufen mit Lautsprecher. Nicht laut, aber mit ständiger, permanenter Geräuschkulisse. Das ist sehr störend. Teils drei Filme direkt nebeneinander. Die Filme sind untertitelt. Also lieber mit Kopfhörern arbeiten oder den Ton abschalten. So ist es sehr unangenehm.
Barrieren: Die Beschriftungen sind weiß auf schwarzem Grund, ich denke, das wird für Menschen mich Sehbeeinträchtigungen sehr schwierig.
Personal: Personalbesprechungen gehören nicht in die Ausstellung, wenn die Ausstellung geöffnet ist. Es geht hier nicht um Besprechungen mit dem Aufsichtspersonal oder unter diesem. Sondern Mitarbeiterinnen, die über allerlei sprechen und das nicht gerade leise. Etwa 20 bis 30 Minuten meines Besuchs wurden die Gäste des Hauses so mit Interna versorgt, während sie doch eigentlich eine Ausstellung sehen wollten. Ich weiß, wie schnell man in Versuchung gerät, aber sobald die Besucher kommen, wäre es angebracht, einen anderen Ort aufzusuchen.
Fazit
Auch, wenn ich zunächst andere Erwartungen an die Ausstellung hatte, wurde ich, trotz aller Kritik, positiv überrascht. Ich erwartete eine eher kleine Kammerausstellung, was diese nun wirklich nicht ist.
Ist man vorbereitet auf die beiden Stränge der Ausstellung, ist der Besuch sicher noch etwas besser. Der Mut, den die jüdischen Fotografen aufbrachten, die Bilder zu machen, die sie nicht machen durften, ich kann ihn mir nicht vorstellen. Doch er ist sichtbar, manchmal auch in schnellen, etwas verwackelten Aufnahmen, die nun eine Dokumentation des Grauens sind. Diesen Menschen wurde in der Ausstellung ein Denkmal gesetzt.
Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust
23. März bis 20. August 2023 im Museum für Fotografie Berlin
Öffnungszeiten: Di-So 11-19 Uhr, Do bis 20 Uhr
Eintritt: 10 €, ermäßigt 5 €, Reduzierung bei vohandenem Ticket für die c/o Galerie, ICOM und Deutscher Museumbund kostenlos
Den Katalog zur Ausstellung kann man auf Deutsch oder Englisch im Museumsshop des Museums erwerben. Im Netz habe ich es bisher nicht finden können.
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