Ich habe lange überlegt, ob ich etwas schreiben soll zu dem, was dieser Tage (glücklicherweise) in Berlin endet. Ich habe schon verschiedentlich darüber geschrieben, zu einzelnen Punkten und gestern…an diesem speziellen Tag, als ich mich nicht mehr aufraffen konnte, irgendein Gedenken, in irgendeiner Art zu fühlen oder zu haben.
Ist dieser 9.November für mich schon so oder so zwiespältig, weil er eben für mich beides birgt, die größte Angst und die größte Freude.
Deshalb werde ich mich bemühen, nichts zu schreiben, von brennenden Synagogen, von Pogromen und Vertreibung. Denn ich bin mir sicher und merke, dass nach diesem Jahr in Berlin, bei den wenigsten irgendein Gefühl dafür bleiben wird. Es sei denn natürlich, man fühlt sich in einer dieser “Initiativen” berufen und denkt, man weiß, wie man zu gedenken hat, verpflichtet gleich sein Umfeld dazu und nur so und nicht anders und verurteilt jeden, der die Dinge anders sieht. Ich möchte mich bei jedem Leser entschuldigen, dem mein Zynismus aufstößt, aber ich kann einfach nicht mehr. Ich kann es nicht ertragen. Doch heute soll das Thema das Projekt “Themenjahr 2013 – Zerstörte Vielfalt” sein, das in der Berliner Kulturverwaltung als “der größte Berlin Marketing Erfolg” gefeiert wird. Hört man André Schmitz und seine zuständigen Mitarbeiter der Kulturprojekte GmbH sprechen, so fällt mir immer und immer wieder Max Liebermann ein: “Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.”. Erschreckend passend in diesem Fall.
Was haben wir also? Wir haben eine GmbH, die (auch) zur Aufgabe hat, Berlin zu vermarkten, in diesem Fall, so legt der Name nah, die Kultur. Über besagte Kulturprojekte GmbH kann man Führungen buchen, die meisten Referenten in den Museen sind darüber angestellt und aus dem ehemaligen Berliner Museumsdienst wurde nach und nach ein Monopolist der Berliner Kulturlandschaft. Toll ist das Museumsportal, dass nach einiger Neuerfindung nun endlich wieder im Web ist und weiter verbessert wird. Und das sollte doch eigentlich das Kerngeschäft sein, die unglaubliche Vielfalt der Berliner Kultur zusammenfügen und dem Besucher und Nutzer anzubieten.
Weit gefehlt. Vor ein paar Jahren kam jemandem die Idee, dass sich doch da 2013 etwas jährt, da müsse man doch was machen. Man machte, bildete besagte Marketing- (oder was auch immer) Abteilung und legte los. Das Ergebnis? Viel Geld, viel Ruhm…nur seltsamerweise außer in ebenso besagter Szene keine Resonanz. Woran liegt es? Die schiere Anzahl an Veranstaltungen, die das ganze Jahr über vermarktet wurden, führt zwangsläuftig zur Übersättigung. Ich persönlich habe an keiner einzigen teilgenommen. Auch, wenn ich gelegentlich nachgesehen habe, so habe ich den Überblick verloren und hatte keine Lust mehr. Ich werde nicht die Einzige gewesen sein.
Gestern nun der “Höhepunkt”, der alle Schlagzeilen der Zeitungen beherrschte: “Berlin putzt seine Stolpersteine” Hervorgegangen aus einer Idee wieder einer dieser Initiativen, die als ihr oberstes Ziel anzusehen scheinen, dass das Wichtigste im Leben die Stolpersteine sind. Die jüdischen Stimmen werden nicht gehört, die Recherchen zu den gewollten Steinen lassen sehr zu wünschen übrig… und nun ja, man ist sich eben selbst genug, Kritik wird nicht geduldet, schließlich macht man ja etwas Gutes und das gilt es anzuerkennen. NEIN, ich will das nicht anerkennen. Es ist mir zuwider. Es ist mir zuwider, dass jetzt tausende von blödsinnigen Putztüchern durch Berlin schwirren, die von den Kulturprojekten gekauft und mit “Zerstörte Vielfalt” Logo versehen wurden, es ist mir zuviel, dass jeder putzende Promi mit Schlagzeile versehen wurde, es ist mir zuviel, dass das so hochgejubelt wird, aber wenn es denn dann tatsächlich mal um UNS geht, da ist man schnell weg. “Wir” mögen uns doch bitte freuen. NEIN, tue ich nicht. Was bitte hat ein Jude heute davon, dass Stolpersteine geputzt werden, aber im nächsten Atemzug wird man entweder als Stellvertreter des Staates Israel mit der jeweiligen Meinung belegt, oder man wird auf einen heeren Tron gesetzt, dessen Voraussetzungen man nur in Gedanken der Philosemiten erfüllt. Es ist mir zuviel, ich will das nicht. Und ich will auch nicht, dass der Tod und die Zerstörung einer Stadtkultur heute als Marketingkampagne hinhalten müssen und wenn man tiefer blickt, ist nichts dahinter, außer: Marketing.
Ja, Berlin mag die einzige Stadt sein, die etwas gemacht hat. Aber haben wirklich die Leute mal an den Litfaßsäulen angehalten und sich gefragt, was die da sollen? Irgendwie schien ich oft genug die Einzige zu sein. Haben wirklich Besucher, die nicht sonst auch zu jedem NS-Event hinrennen, an den Veranstaltungen teilgenommen? Ich glaube nicht.
Mein Resümee, besonders nachdem Berlin mit Plakaten zur Feier “75 Jahre Pogromnacht” (Danke übrigens, dass nicht Kristallnacht genommen wurde), nehmen Sie bitte das nächste Mal Menschen, die sich mit dem Thema auskennen, die eine Sensibilität haben oder lassen Sie es besser gleich bleiben. Das Mahnmal wird auch nicht besser durch seine Größe, so wie auch ein Bezirk nicht besser wird, je mehr Stolpersteine er hat (die dann auch noch nachts bewacht werde), ich bitte Sie. Ich habe zu sehr die Erfahrung gemacht, dass man sich selbst beweihräuchert – dahinter stecken tut meist sehr sehr wenig.
Das, was für mich als jüdische Deutsche wirklich zählt, sind die Menschen, die keinen Unterschied machen. Denen es egal ist, welcher Religion ich angehöre, für die ich schlicht die Berlinerin bin, oder die Radfahrerin oder sonst was. Die mir nicht ihre Meinung zu Israel aufdrängen müssen oder eben schon oft beschriebene Betretenheit, beim Erfahren meiner Herkunft.
In der wirklich ausgezeichneten Doku zum Antisemitismus heute der ARD, habe ich wieder gesehen, welches Glück ich habe – oder aber eben auch, wie sehr ich mir meine Blase gebaut habe. Eine Blase aus Menschen, die Freunde sind und das deshalb, weil sie mich mögen und nicht, um ihr Ego zu befriedigen, weil Juna ja Jüdin ist und wir befreundet sind. Alles schon passiert, alles erlebt.
Das nächste Jahr hat sich Berlin mit ebenjenem Team übrigens das nächste Ausgedacht…wir feiern diesmal nicht die Pogromnacht oder die Machtergreifung, nein, wir feiern die Mauer. Na, dann prosit.
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