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Warum die Versetzung Richard C. Schneiders ein Fehler ist

Nicosia 3 April 2008 06Richard C. Schneider ist sicherlich nicht nur für mich, eine Art Fels in der Brandung der Unsicherheiten, der Unwissenden, der aber immer alles Besserwissenden, der selbsternannten Experten. Dieser Fels soll jetzt weg aus Israel, aus diesem Land, über das so viele mehr Bescheid zu wissen, als vermutlich nirgends sonst – und vermutlich mindestens so viele falsch liegen. Denn das ist die Crux. 

Als vor zwei Tagen das Interview mit Richard C. Schneider zu seinem Weggang in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte ich zunächst nicht richtig zu lesen. Ich glaubte, persönliche Gründe zu finden, die ihn bewogen weg zu gehen. Ich fand sie nicht, im Gegenteil. Er wollte bleiben. Und den Tag verbrachte ich in Fassungslosigkeit und dem Versuch, eine Entscheidung zu verstehen, die man nicht verstehen kann – nicht mit gesundem Menschenverstand. Es drängen sich andere Vermutungen auf. Ich versuche, dem BR nichts zu unterstellen. Es gelingt mir mäßig. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass man Schneider versetzt in eine Gegend, mit der er sich bis dato wenig beschäftigte, sich nicht auskennt und sich komplett neu einarbeiten muss – anstatt ihn in Israel zu belassen und damit den einzigen deutschen Journalisten, der in der Lage war, nicht nur in Schwarz und Weiß aus der Region zu berichten – oder besser ausgedrückt: für den es nicht nur eine Seite gab. So konnte man sich auf ihn verlassen. Man erfuhr von ihm mehr als durch die üblichen deutschen Nachrichtenkanäle. Wenn dort kein Platz für Berichte war und auch sonst, konnte man viel mehr auf Twitter mitverfolgen, oder die anderen Geschichten auf dem Blog des Studio Tel Aviv. Diese wird es sicher weiter geben – nur ohne Schneider.
Schneider gelang es in all den Jahren einen Ton in die deutsche Medienberichterstattung über den Nahen Osten zu bringen, die seines Gleichen sucht. Weder findet man bei ihm eine Verdrehung der Opfer-Täter-Sicht, noch eine Überstilisierung einer Seite. Er lebt dieses Leben dort, nicht im Sinne davon, dass er in den Nahen Osten versetzt wurde, wie so mancher Kollege in den letzten Jahren und dort vor allem mit fehlenden Sprachkenntnissen aufwarten konnte. Als Deutscher Journalist in den Nahen Osten zu gehen, nach Israel, ist kein leichtes Unterfangen. Betrachtet man das üblichen Nachrichten in Deutschland, so kann man mit etwas Offenheit verstehen, warum. Da werden jungen, die nach Hause trampen wollten, entführt und ermordet werden in Windeseile zu radikalen, gefährlichen Siedlern, den Mördern der Kinder bringt man Verständnis entgegen. Nur eines, der vielen Beispiele…dass die Morde und Körperverletzungen israelischer Zivilisten es erst in die deutschen Nachrichten schafften, als man sich entschied, die Täter zu töten, sollte man eventuell einmal überdenken.
Ich werde hier keine Analyse der Berichterstattung der Deutschen Medien über Israel anfangen. Dafür gibt es Spezialisten. Doch ich möchte mein Entsetzen – und anders kann ich es nicht nennen – über die Entscheidung des BR zum Ausdruck bringen, den Mann, dem genau diese Gratwanderung gelang, der berichtete, auch, wenn es weh tat, ganz besonders in der deutschen, schwarz-weiß Seele, egal, welche Seite sie meint, einnehmen zu müssen. Der ein anderes Bild vermittelte von diesem Land, dieser Region. Der auch das berichtete, was man hier nicht sehen will: Geschichten, die nicht ins Bild passen. Geschichten vom Leben im Land, nicht vom Radikalen, nicht vom Hass, sondern auch den Alltag zwischen all dem Irrsinn. Dass es eben doch ein ganz normales Land ist, mit ganz normalen Menschen. Von ganz normalen Menschen auf allen Seiten, die dieses „Spiel“ nicht spielen, die miteinander arbeiten, gegen den Hass. Doch das sind natürlich Geschichten, die man nicht hören will. Tot und Hass verkauft sich besser, bringt das Bild in die heimischen Fernseher, die der Zuschauer sehen will.
Ich habe Angst vor dem, was jetzt kommt. Nicht vor Nachfolgern. Sie werden es nicht leicht haben. Ich habe vor allem Angst davor, nicht mehr die Grauzonenberichte zu erhalten, die Zwischentöne hören zu können, die doch so wichtig sind, um Dinge anders zu verstehen. Und immer wieder beschleicht mich der Gedanke, dass es eine bewusste Entscheidung irgendwo da oben im Turm des BR, dass man ihn, der doch das Bild nicht schwarz und weiß malt, besser woanders hinsetzt, wo er nicht so stören kann. Es ist und bleibt ein Fehler – ein großer. 

Foto: By Steffen Löwe (Own work) , via Wikimedia Commons

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