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„Überall Geschichte“ – Buchbetrachtung

"Überall Geschichte" - Buchbetrachtung

Manchmal gibt es Überraschungen, Geschenke. So wie neulich, als ich ins Büro kam. Da lag ein dicker Brief mit einem Buch, diesem Buch: „Überall GeschichteNationalsozialismus und Kriegsende 1945 – Denkmale, Erinnerungszeichen und historische Orte im Landkreis Spree-Neiße“. Wie aber kam das Buch zu mir? Ich blätterte durch und erinnerte mich. Ich half der Autorin Alexandra Klei bei der Übersetzung einiger russischer Mahnmale. Der Kontakt war durch Twitter entstanden. Und das war nun das Ergebnis. Es ist nicht nur ein Buch, es wird eine Ausstellung sein, die im werkraum bild und sinn zu sehen sein wird.

Nachtrag: Die Ausstellung ist vom 14. – 29. August in der Bergmannstraße 59 zu sehen. 

Die Macher sind im Landkreis Spree-Neiße auf die Suche gegangen. Auf die Suche nach Erinnerungsorten. Es gibt einige Bücher dieser Art. Und dennoch denke ich, dass dieses hier, dieses kleine quadratische Buch etwas Besonderes ist. Alexandra Klei und Christian Herrnbeck dokumentieren nicht nur, was ist, sondern auch, was war. So heißt es nicht selten etwa so:

„Eine erste Gedenktafel wurde 1988 an einem Haus in der Cottbusser Straße 8 angebracht. Sie wurde vor 1998 im Zuge von Sanierungsarbeiten entfernt und nicht wieder angebracht“

oder:

 „Erinnerungszeichen gibt es in der Stadt nicht“ 

Vieles hat mich erstaunt. Nicht etwa, z.B. die vergessenen Gräber von Zwangsarbeitern. Vielmehr, dass es Erinnerungsorte gab, die nach der Wende verschwanden. Orte, die umgewandelt wurden und wie im Falle von Forst und Bohrau gemeinsam mit den deutschen Opfern, die nicht selten Täter waren zusammengelegt wurden. Mir bereitet das Unbehagen – auch, wenn ich den Gedanken dahinter erkennen mag. Oder schauen wir in das Kapitel: „Erinnerung an Zwangsarbeiter/innen“. Es gab Namen, es gab Daten. Sie sind heute verschwunden, vergessen, bepflanzt, verkauft, vergessen. Niemand weiß mehr etwas, oder will es wissen.
Die einzelnen Kapitel umfassen: 
  • Sowjetische Ehrenfriedhöfe und -gräber
  • Denkmale für die Opfer des Faschismus
  • Denkmale für Deserteure und Kriegsgegner
  • Erinnerung and KZ-Außen-, Zwangs- und Kriegsgefangenenarbeitslager, Todesmärsche, Deportationen
  • Erinnerung an Zwangsarbeiter/innen
  • Jüdische Friedhöfe
  • Erinnerung an die lokale jüdische Bevölkerung
  • Deutsche Kriegsgräberstätten
  • Gedenken an Opfer von Krieg und Gewalt
  • Gedenken an Einzelpersonen
  • Ortsverzeichnis
Ein gutes, wichtiges Buch, von dem man sich wünschen würde, man könne es in alle Landkreise ausdehnen, von dem man sich wünschen würde, es möge Ansporn sein, diese Namen, die Geschichten wieder hervorzuholen. Vielleicht durch eine Schule, eine Konfirmandengruppe. Ich hatte so oft das Gefühl, man müsse etwas tun, wenn man dieses Buch liest. Und mindestens, sollte die Ausstellung wandern, denn dafür ist sie ausgelegt. Vielleicht wird man sich in den Orten bewusst, was verloren ginge.

Ein Kommentar

  1. Andreas Froese Andreas Froese

    Umso erschütternder und nachdenklicher stimmt die Lektüre dieses Buches, wenn man sich die heutigen Befunde in dieser Region grenzübergreifend – also beiderseits entlang der Oder – anschaut. Denn während auf der deutschen Seite viele Gedenkzeichen nach der Wende stillschweigend verschwunden sind, existieren sie weiterhin auf der polnischen Seite oder sind dort seit den 1990ern neu entstanden.

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