Die Villa „Le Lac“ Le Corbusier

Eine weiße Mauer vor einem See. Die Mauer ist hoch, in ihr befindet sich ein offener Fensterausschnitt. Dafür zwei Bänke und ein Tisch.

Kommt man motorisiert über die Straße, besteht die Gefahr, es zu verpassen, und auch zu Fuß ist die Mauer entlang der Straße so unscheinbar, dass man nicht glauben mag, auf dem schmalen Stück Land dahinter verberge sich ein Weltkulturerbe.

Das Tor ist an diesem Samstag verschlossen. Ein Schild bittet, kurz zu warten. Das fällt leicht, steht eine Bank in der Sonne an der Straße. Nach wenigen Minuten wird man freundlich und überaus einladend begrüßt, wie ein lang erwarteter Gast – andere Sprachen als Französisch sind kein Problem. Was aber ein Problem ist, und daher der sorgfältige Einlass: Das, was sich dahinter verbirgt, ist fragil. Es gibt strenge Regeln: Keine Stilettos, keine Radschuhe, nicht anlehnen, nicht berühren. Charmant erfährt man von den originalen Farben, die es zu schützen gilt. Und vor allem spürt der Gast, dass die Menschen, die hier die Tür öffnen, den Ort lieben.

Dieser Ort ist das zweite Haus, das Le Corbusier 1923/24 für seine Eltern an einem kleinen Weg vor Vevey am Genfer See errichtete. So klein und schmal das Grundstück ist, so ist es gleichfalls das Haus. Nur 4 x 16 Meter misst es und beinhaltet doch alles, was nötig ist. Das große weite Fenster zum See dominiert, nur die Küche kann diesen Blick nicht bieten. Sie ist nicht nur klein, zudem sehr funktional. Für zwei Menschen war das Haus gedacht, das fast gänzlich ohne Türen auskommt. Der „Kleine Salon“ oder Gästezimmer allein ist abtrennbar durch eine große fahrbare Türwand. Helligkeit gelangt dann durch ein Licht oben an der Wand zur Decke oder durch die Tür zu Garten. Die Räume sind, wie soll es anders sein, farblich abgetrennt. Eben jene historische Farbe, auf die die Mitarbeitenden so achten. An einem Tisch am Fenster darf Platz genommen werden. Gelegenheit, auf den See oder in die zahlreichen ausliegenden Bücher zu Haus und Architektur des Meisters zu schauen. Überhaupt schauen, man ist deutlich eingeladen, nicht nur an diesem Tisch, sondern gleichermaßen im Garten Platz zu nehmen und den Blick auf See und oder Garten ruhen zu lassen. Der Garten, ebenfalls von Le Corbusier ist eine Fortführung des Hauses. Eine Mauer mit glaslosem Fenster zum See schützt vor Wind aber eben nicht vor Blick (Bild oben).

Überdies waren große Architekten, wie Le Corbusier nicht vor Fehlern gefeit. Erst später kam die Erkenntnis, dass ein Haus so nah am See an Problemen mit Grundwasser wird leiden. Die Fassade, die einst glatt und weiß war, ist heute mit Metallplatten verkleidet, was dem Häuschen etwas Industrielles vermittelt – und so nervende Risse dem Blick entzieht. Weiß indes ist die Mauer zur Straße, die von innen höher ist als außen. Sie wurde erst errichtet, als aus der kleinen müden Straße eine internationale Verbindungsstraße wurde. Immerhin bereits vor 90 Jahren. Von vorn Wasser, von hinten Straßenlärm. Nicht ideal und doch, es ist ein Ort der Ruhe, des Wohlfühlens, nicht nur durch die Lage, auch durch seine Klarheit, Strenge, die, revolutionär gewesen war in seiner Zeit – nicht nur in Hinblick zum ersten Haus der Eltern, nur zehn Jahre vorher entworfen von ihrem Sohn, damals noch als Charles-Edouard Jeanneret.

Dieser Ort ist heute Teil des UNESCO Weltkulturerbes und erlaubt es dennoch, ein Gefühl für den Raum, für ein Leben darin zu bekommen, vielleicht mit einer Tasse Verbenentee aus dem Garten, frisch zubereitet von den überaus freundlichen Menschen, die diesen Ort behüten und nicht nur ein Gebäude, sondern auch die Begeisterung dafür zu teilen.


Villa „Le Lac“ Le Corbusier
Route de Lavaux 21
1802 Corseaux
Schweiz
Öffnungszeiten: primär an Wochenenden, hier nachzusehen.

Eintritt: 14 CHF, nur Barzahlung, ICOM Karten werden akzeptiert


Foto: Aus dem Garten der Villa „Le Lac“ auf den See Ralf Steeg


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