Das Jüdische Museum Berlin zeigt Arbeiten von Frédéric Brenner zum Jüdischen Leben, oder sagen wir lieber, jüdischen Personen in Berlin.
Mein Hadern damit und doch wieder nicht?
Es arbeitete länger an mir, nachdem ich die Ausstellung gesehen habe. Und es ist wohl einer dieser Vorteile, dass man nicht die Erste sein muss, wenn man nicht für Zeitungen schreibt, nicht das Problem hat, zu spät dran zu sein.
Das Hadern
Ich haderte mit den teils übergroßen Arbeiten mit reichlich rot als zentrale Farbe, da ich sie recht gefällig fand. Vielleicht hatte ich im Vorfeld schon zu viel der Ausstellung gesehen, vor allem wohl aber einen Großteil der Porträtierten schon zu oft gesehen. Es ist letztlich wieder eine Ausstellung, auf dem Juden abgebildet sich, zum Teil mal anders, zum Teil, wie man sie kennt und zum Teil, wie sie sich wohl selbst sehen. Keine neue Erfahrungen, keine Erkenntnis.
Die Ausstellung kommt erfreulicherweise ohne Beschreibungen aus. Keine Titel oder Kommentare unter den Bildern. Damit auch Raum für eigene Betrachtungen. Zu viele Menschen orientieren sich in meinen Augen an Bildbeschreibungen und Namen. Ob ein Bild etwas in ihren auslöst, ist zu oft von Namen und vermeintlicher Bedeutung des Menschen dahinter abhängig. Damit wäre also Raum für eigene Betrachtungen. Andererseits auch sonst nicht viel mehr. Eine Liste der Protagonist:innen findet man im Eingang. Was bleibt, sind dennoch die immer gleichen Gesichter.
Das Schmelzen des Haderns
Was mein Hadern etwas zusammenschmelzen lies, ich erwarb den Katalog zur Ausstellung trotz meines Vorsatzes, nicht noch mehr Bücher. Zum Glück folgte ich dem nicht. Im schon opulenten Band, so darf man ihn beruhigt nennen, findet man zudem die gesamte Sammlung, die schon vor einigen Jahren vom Jüdischen Museum erworben wurde. Was also änderte sich durch ein Buch? Der Raum für Text. Die Arbeiten erzählten für mich in ihrer relativen Oberflächlichkeit zu wenig. Teils Bühne der Eitelkeiten, teils Fragezeichen. Zudem die unkommentierten Bilder in der „Achse der Kontinuität“, die zur Galerie führt: Gefallene Blätter, gefallenes Laub. Eine Anspielung auf die Installation im Memory Void „Schalechet“ von Menashe Kadishman? Nichts findet man davon. Doch man findet Paul Celan … von dem auch der Titel „Zerheilt“ entnommen ist. So führt nun also eine Spur des gefallenen Laubes Berlins zum gefallenen Laub Kadishmans. Der Weg führt an den Menschen vorbei, die das Berliner jüdische Bild prägen (wollen).
Die Publikation
Im Katalog ist Raum gegen die Oberflächlichkeit, der teils steril genauen Bilder, es lohnt sich, die Texte zu lesen – und die Arbeiten zumindest in anderem Hintergrund zu betrachten. Ich werde weiter mit der Ausstellung hadern, denn wenn man lange Erläuterungen braucht, um die Idee zu verstehen – und sehr zu würdigen, fehlt wohl doch noch ein Stück. Hadern werde ich auch, da der Beziehungsstatus Künstler – Direktorin nicht transparent gemacht wird. Dennoch würde ich nicht mehr sagen, man sollte es sich sparen. Ist man in der Nähe, bekommt ein Zeitslot, kann man sich die Ausstellung durchaus ansehen, sich wundern – oder wie ich auch gelegentlich amüsieren. Der Eintritt ist frei. Tipp: Der Begleitband kostet im Museumsladen 13 Euro weniger als im Buchhandel.
Frédéric Brenner
Zerheilt
Jüdisches Museum Berlin
3. September 2021 – 13. März 2022
Eintritt frei
Publikation:
Frédéric Brenner: ZERHEILT
168 Seiten
142 Abbildungen
Ganzleineneinband
Hatje Cantz Verlag
Berlin 2021
ISBN: 978-3-7757-5103-2
Preis: 45/ 58 €
Ich habe eine Vorliebe für analoge Fotografie, ich bin daher durchaus subjektiv.
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