An ihrem letzten Tag in der Stadt trug Sara beim G’ttesdienst diesen wunderschönen Tallit. Man sah, dass es einen wie ihn nicht noch ein Mal gab. Der Tallit, der Gebetsschal, war ihrer, ganz ihrer.
Die Tora sagt:
Sprich zu den Kindern Jisrael und sprich zu ihnen, dass sie sich Tzitzit machen an die Zipfel ihrer Kleider bei allen Nachkommen, . Und es sei euch zu Tzitzit, dass wenn ihr sie ansehet, ihr euch erinnert aller Gebote von Haschem und ihr sie tut, Damit ihr euch erinnert all meiner Gebote und sie tut, dass ihr heilig seid eurem Gott.
Die kleinen Knoten, ein paar Fäden nur, auf bestimmte überlieferte Art gebunden. Wir haben die Kleidung nicht mehr, die das Anbringen erfordert, wir haben diese Tücher und Schals, mit ihren vier Ecken, das Symbol. Das Wort Tzitzit (ציצית), dessen numerischer Wert 600 ist, die acht Fäden: 608 und die fünf Knoten: 613. 613 Ge- und Verbote gibt im Judentum. Ein Jahrtausende alter Knoten im Taschentuch.
Saras Tallit war in dieser Zeit in Deutschland, gerade 15 Jahre her, ungewöhnlich: sie knüpfte die Tzitzit selbst. Sara hatte den Stoff für den Schal gewählt und zugeschnitten, den Stoff für die Ecken vorsichtig mit der Hand angenäht, sie hatte die Tzitzit geknüpft.
Vor Kurzem lud man in die Synagoge Oranienburger Straße zu einem Workshop ein: Seinen eigenen Tallit machen, vor allem das Knüpfen der Tzitzit. Ich dachte an Sara. Ich dachte daran, wie wir Frauen noch immer etwas Besonderes waren mit unsere Tallitot – nicht in der Oranienburger Straße zwar, dennoch in der allgemeinen jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Auch heute noch. Für mich stand es immer außer Frage, dass ich auch einen Tallit tragen will und werde. Dass ich nur dort an einem Gemeindeleben teilnehmen würde, wo das möglich ist, in Berlin war es möglich. Noch immer erinnere ich mich an das Gefühl, als mein Tallit ankam aus Israel, der wollige Stoff mit den bunten Kanten, ich mich in ihn hüllen konnte. Das vermeintlich andere Gefühl, dem G’ttesdienst mit Tallit zu folgen und vor allem das Gefühl der Tzitzit. Trage ich den Schal, habe ich meist Tzitzit in der Hand. Ich fühle sie, auch, wenn er lange in seiner Tasche im Schrank liegt. Er ist mir wichtig. Er ist eine Verbindung. Eine Verbindung zu den Generationen davor, zu denen danach, zu den Worten der Tora und eben auch eine fühlbare Verbindung zu G’tt.
Das Zitat stammt aus „Die Torah: eine deutsche Übersetzung“ von Chajm Guski
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