Buchbetrachtung: Berichte aus der Fremde von Martin Gumpert

Ein kleines Buch, ein wirklich kleiner, schmaler, schöner Band, ist die Neuauflage der zuletzt 1948 erschienenen „Berichte aus der Fremde“ von Martin Gumpert. Berichte, Lyrik, die in ihren knappen Worten soviel mehr sagen als manch andere vielseitige Exilliteratur. Vielleicht konnte es kein anderer Zeitpunkt sein, als dieser jetzt, in diesen Tagen, sie wieder neu aufzulegen. Nichts haben sie verloren, die Berichte, von ihrer Aktualität. Nur die Sprecher sind andere als der Arzt, der fliehen musste, weil er Jude war, der Glück hatte und in seinem Beruf arbeiten konnte, der heimisch wurde im neuen Land und in der neuen Sprache. Im Nachwort gibt Manfred Bosch einen Überblick über das Leben Gumperts, über sein Hadern mit der Flucht, seine Sehnsucht nach der Heimat und das dennoch nie mehr Zurückkehren.

Mir selbst geht Bericht 5 nicht aus dem Sinn. Ich will die ersten Verse hier wiedergeben:

Daß Ihr Euer Geld verlieren werdet,
Daß man Euer Bankkonto sperren wird,
Daß man Euch die Pässe zerreißen wird,
Daß man Euch die Wohnung kündigen wird.

Daß man Euch durch die Straßen jagen wird,
Daß man Eure Schränke durchwühlen wird,
Daß man Euer Telephon überwachen wird,
Daß man Euch Titel und Namen nehmen wird.

Daß Eure Freunde Euch nicht mehr grüßen werden,
Daß Eure Freuen Euch nicht mehr lieben werden,
Daß Eure Kinder Euch nicht mehr achten werden,
Daß Eure Diener Euch nicht mehr dienen werden.

Euch fehlt die Phantasie, was wahr wird, zu ersinnen,
Euch fehlt die Kraft was wirklich wird, zu glauben,
Euch fehlt der Blick, was klar ist zu erkennen,
Euch fehlt das Wort, um, was Ihr wißt, zu sagen.

Es ist in der Tat dieses kleine Buch mit seinen nur 32 Seiten an Berichten, das mich zu Tränen rührte und mich denken ließ: die Dinge wiederholen sich und die Menschen vergessen, trotz Büchern wie diesem, trotz Wissens, trotz allem.

 

Einen kleinen Einblick in der Buch kann man wie immer beim Verlag hier erhalten. Lassen Sie sich auch rühren, vielleicht und auch ein wenig erfreuen, an einem auch äußerlich schönen Buch.

Gumpert, Martin: Berichte aus der Fremde. New York 1937. Konstanz: Südverlag, 2017

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert