Was ich nicht mag…

Fangen wir mit den sogenannten Vaterjuden an. Menschen, deren Vater jüdisch ist, gelten innerhalb des Judentums nicht als jüdisch. Gerade in den Generationen nach der Shoa werde sie aber auch allein gelassen. Denn eine Prägung ist so oder so da, sei es nun mütterlicherseits oder väterlicherseits. Suchen sie Gemeinschaft innerhalb der offiziellen Gemeinden, dem Ort also, an dem man gewöhnlich Menschen mit vermutlich ähnlichen Geschichten treffen sollte, werden sie noch immer oft genug abgelehnt – sie seien ja schließlich keine Juden. Aber sind sie weniger betroffen vom Mord an ihren Familien? Ist der Sohn eines Überlebenden der Shoa weniger belastet und hat weniger Fragen, weniger Interesse und weniger Probleme in der Außenwelt als der Sohn einer Überlebenden? Inzwischen gibt es den Verein „Doppelhalb e.V.„, der versucht, all das zu beantworten, zumindest eine Anlaufstelle zu bieten.Weiter geht es mit einem großen Festival des jüdischen Lernens (und jetzt nennen wir die Geschichte beim Namen: Limmud). In diesem Jahr ist es sehr deutlich geworden. Zugang nur für „reine“ Juden bzw. im aktiven Gijurprozess befindlich. Und eh gleich geschrien wird, mir ist durchaus klar, dass man nicht von Menschen überflutet werden will, die aus zweifelhaften Gründen teilnehmen wollen. Dass aber Menschen, die durchaus innerhalb ihrer Gemeinden bekannt sind und vielleicht nur deshalb nicht konvertieren (dürfen?), weil sie sich nicht von ihren Familien scheiden lassen wollen abgelehnt werden. Nein, dafür fehlt mir das Verständnis. Wenn als Begründung dann noch kommt: „Juden wollen unter sich bleiben“…nun, ich will das dann nicht. Es ist mir unangenehm, ich fühle mich unwohl und die angebliche Offenheit, die aber nur innerhalb des jüdischen Spektrums stattfindet ist für mich daher ad absurdum geführt. Einen deutlichen Hinweis: „Diese Veranstaltung ist ausschließlich für halachische Juden oder mit Rabbinatsbestätigung zum Gijurprozess gedacht“ groß und deutlich auf der Startseite sucht man vergebens. Interesse wird durch jede Menge Newsletter (teils mehrere täglich) geweckt … und dann enttäuscht. Wird es Zeit für eine Alternative?

Das nächste Beispiel betrifft direkt dieses Pessach, bzw. den ersten Seder. Man wird von einer Familie schon vor Wochen eingeladen. Die Eingeladene fragt gleich, ob sie einen Freund mitbringen kann. Der Freund ist in der Gemeinde bereits bekannt, er ist kein Jude, aber in tiefer Freundschaft zu Eingeladenen verbunden. Die Geschichte der Familie verbindet sie. Er ist mit eingeladen. Gestern nun erfuhr die Eingeladene, dass sie ihren Freund nicht mitbringen darf, man habe jemand anderen eingeladen. Schlechtere Gastgeber an einen Abend wie diesem habe ich selten erlebt. Man kann sich vorstellen, wie sehr die Eingeladene den Seder genießen wird.

Eben jene Eingeladene, nennen wir sie Marieke belegt in ihrer Gemeinde ein Seminar zu Chasanut. Marieke ist Überlebende, arbeitet im örtlichen jüdischen Museum, das nicht unbedeutend ist als ehrenamtliche Referentin … einen Coreferent fragt sie, ob sie nicht beide teilnehmen sollen. Schließlich kann man Neues immer für die Führungen gebrauchen. Sie melden sich also an … dumm nur, dass der andere Referent keine Jude ist. Marieke wird gefragt, ob sie mit ihm zusammenlebt (etwas skurril, da Marieke über 80 Jahre als ist, der andere Referent nur halb so alt) … als sie das verneint, wird die Teilnahme des Kollegen abgelehnt.

All dies kleine Beispiele dafür, dass ich manchmal wünschte, ich wäre nicht Mitglied in diesem Club. ABER, man kann Dinge ändern. Es muss nur genug Menschen geben, die sich bei diesen Geschichten genauso unwohl fühlen, wie ich.

2 Antworten

  1. Recht hast Du… Bei mir ist jeder zu Pessach eingeladen (vollgoj, halbgoj und sonst jeder, der kommen will). Diese Jahr moderiere ich einen Seder, wo jeder eingeladen wäre, so lange, dass sie sich mit weiblichen Moderatorinnen und schreckliche Gojim sitzen möchten. Schönes Pessach wünsch' ich!

  2. Oh, wie wunderbar! So soll es sein!

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