Was ist Aufklärung? – eine Ausstellung im DHM Berlin

Ja, was ist eigentlich Aufklärung? Und warum denken, wir, ausgerechnet wir, in einer aufgeklärten Zeit zu leben? Wieso denken wir überhaupt, dass die entscheidenden Fragen beantwortet seien? Kurze Gedanken nachdem ich die neue Sonderausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin verließ.

Die erste Frage stellte bereits Kant in einem Text in der Berlinischen Monatsschrift im Dezember 1784 und beginnt:

AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Nun also, bedienen wir uns unseres Verstandes? Und warum fingen die Menschen an, überhaupt Fragen zu stellen und Antworten abseits zu finden? Abseits der zentralen Religion Christentum, die doch alles zu beantworten schien? Das die Frage, warum ein Gott etwas zulassen könnte, ein Auslöser für den Beginn dieser Zeit war, war für mich, so muss ich zugeben, neu. Und ich freue mich darüber, etwas gelernt zu haben – ganz besonders, da die Aufklärung keine Zeit war, die mich je sonderlich interessierte. Ich kann mich an Kant erinnern, an Rousseau, der mir später im Studium wieder begegnete und auch in der Ausstellung eine Rolle spielt. Und ja, das Thema scheint meist um einzelne Personen gebaut zu sein – anders in der Ausstellung des DHM, in der Persönlichkeiten zwar eine Rolle spielen, aber die Fragen stehen im Mittelpunkt.

Wie also war die Stimmung der Wissbegierigen? Warum konzentrierten sie sich nicht nur auf ein Fach? Und war das nicht vielleicht besser? Umfangreicher lernen – die älteren Jahrgänge mögen sich noch als das Studium Generale erinnern, dass es nach Bologna nicht mehr überall gab. Mich trieb es erstaunlicherweise in die klassische Philosophie mit einem Professor, der es verstand, mehr zu fesseln als jeder gute Krimi. Bis heute bin ich im dankbar dafür, dass er meine Scheu von diesem Fach nahm.

Und überhaupt, mehr lernen als das eigene Fach, mehr reden darüber! Miteinander reden diskutieren, streiten und sich verbunden bleiben! Was wäre die Forschung über diese Zeit ohne die umfangreichen Briefwechsel der Menschen? Ich schweife ab.

Die Ausstellung ist umfangreich, nach Themen geordnet und ich werde sie nicht im einzelnen erläutern, Physik, Pädagogik, Religion etc und alles ineinander verwoben. Vor allem aber und das fällt auf, auch das, was gern ausgeblendet wird, wird gezeigt und erläutert: vermeintliche Forschungen, die zu menschenverachtenden Resultaten kamen. Das der Mensch keinen unterschiedlichen Wert hat, dachten wir überwunden zu haben. Aber haben wir das? Auch an diesen Stellen muss man hinsehen und es wird hingesehen in der Biologie, Sklavenhaltung, Religionsausübung.

Frauen?

Besonders positiv fiel mir dieses Mal auf, dass weibliche Protagonistinnen kein eigenes Kapitel bekamen, wie es meist üblich ist – wenn sie überhaupt erwähnt werden. Sie werden wie es ihnen zusteht auf gleicher Ebene mit den männlichen Vertretern präsentiert. Dorothea von Rodde-Schlözer, erste promovierte Philosophin Deutschlands macht den Anfang, nur den Anfang wohlgemerkt!

Wie sieht es mit den Juden_Jüdinnen aus?

Das war zugegeben die Frage, mit der ich in die Ausstellung ging, nicht ganz fair vielleicht, aber leider habe ich schon viel gesehen, bzw. nicht gesehen und hier liegt oft das Problem – doch nicht dieses Mal. Gleich zu Beginn, quasi zusammen mit Dorothea von Rodde-Schlözer begrüßt in einer Wand mit den Büsten ausgewählter Persönlichkeiten wie Diderot, Herder, Rousseau und anderen auch Moses Mendelssohn die Gäste der Ausstellung und hinterließ in mir einen Hoffnungsschimmer, dass man dieses Mal vielleicht einen anderen Weg ginge. Ich wurde nicht enttäuscht. Wie auch bei den Frauen, gibt es keine eigene designierte Abteilung jüdischer Aufklärender, sie sind im Gegenteil selbstverständlicher Teil der Ausstellung. Die Schwierigkeiten, unter denen sie aufgrund ihrer Herkunft zu leiden hatten (Verweigerung der Aufnahme in die Akademie) werden nicht unterschlagen.

© Deutsches Historisches Museum, Foto: David von Becker

Begeistert haben mich hier ob ihrer Schönheit gleich zu Beginn farbige Kupferstiche von Fischen, die fast wie Fantasiegestalten daherkommen, sie werden begleitet von Fischpräperaten und erzählen stellvertretend die Geschichte von Marcus Élieser Bloch, Freund und Arzt Moses Mendelssohns.

Ein Beispiel aus Wikipedia: M.E. Blochii … Systema ichthyologiae iconibus CX illustratum v.2.Berolini :Sumtibus auctoris impressum et Bibliopolio Sanderiano commissum,1801..http://www.biodiversitylibrary.org/item/26656
Kein Personenkult

Doch trotzdem einzelne Protagonist:innen kurz vorgestellt werden, sind weniger sie, als die Fragen, die sie stellten im Mittelpunkt und die Fragen, die auf ihre Fragen gestellt wurden. Vielleicht haben wir einfach das Fragen verlernt? Überlegte ich?

Fazit

Ein wirkliches Fazit steht mir nicht zu. Nur eines: Diese 90 Minuten waren zu kurz, ich werde die Ausstellung wieder besuchen. Es lohnt sich, mit unterschiedlichen Schwerpunkten wieder zu kommen – oder vielleicht auch eine der Themenführungen an den Museumssonntagen durch die Kurator:innen wahrzunehmen. Fragen zu Diskriminierung, Revolution, Mode, Internationalität und mehr werden gestellt.

Begleitprogramm

Das Begleit- und Führungsprogramm ist so umfassend, dass ich lieber auf die Informationen des Museums selbst verweise. Von Kinderprogrammen, über Führungen verschiedenster Natur, über eine Filmreihe, Diskussionsabenden und Festival und Konferenz ist alles im Angebot – und die Museumsfrau fragt sich: Wie schaffen sie das alles?


Was ist Aufklärung? Fragen an das 18. Jahrhundert
DHM Berlin
18. Oktober 2024 – 6. April 2025
täglich 10 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 3,50 €, freier Eintritt bis 18 Jahre
ICOM Karten werden akzeptiert


Beitragsfoto: Treppe zwischen den Ausstellungsetagen, Juna Grossmann, Schwarzweißfotos der Ausstellung ebenso.


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