
Gehen wir etwas weiter zurück in meine Schulzeit, die in diesem Punkt sicher nicht exemplarisch war für die Schulen in der DDR. Wenn man auf eine Schule geht, die nach Janusz Korczak benannt war, konnte man im Unterricht schlecht umhin, auch etwas von Judenverfolgung und -vernichtung zu berichten, vielleicht das Thema auch zentraler zu gestalten, als es üblich war an den Schulen der DDR. Dennoch wurden wie überall an den Feiertagen die üblichen Widerstandskämpfer aufgefahren, die uns gemahnten für den Frieden einzustehen, zu kämpfen gegen den Kapitalismus usw.. Der Widerstandskämpfer, der Antifaschist per se war die erste Garde der Opfer des Nationalsozialismus im DDR Gewissen und bis heute dem der Linken. Mir war das immer merkwürdig. Ich fragte schon damals nach den Relationen. Die Zahlen der Opfer waren bekannt. An Antworten kann ich mich nicht erinnern, sie waren wohl nicht befriedigend für meinen Wissensdurst.
Natürlich gab es Juden im Widerstand. Natürlich gab es antifaschistische Juden. Und genauso natürlich gab es auch Juden, die anfänglich begeistert waren von der neuen Ordnung, die da das Land zu ergreifen schien. Die Befreiung vom Joch der Versailler Verträge.
Was allerdings Juden, Roma, Sinti und andere unterschied, von jenen, die im wirklich im Widerstand waren: sie mussten nichts tun, um ermordet zu werden. Sie wurden deportiert und ermordet, gelang ihnen nicht die Flucht. Wir wollen daher bitte auch bei der Linken, die Dinge beim Namen nennen: Juden wurden verfolgt, weil sie Juden waren, nicht, weil man in der DDR Antifaschisten aus ihnen machte (war man ihnen wohlgesonnen). Es mag Ihnen nicht gefallen, so ist es aber. Es wird Zeit, dass Sie den Tatsachen in die Augen sehen. Schauen Sie sich vielleicht auch zum Vergleich die Geschichte der Familie Leo an, es gibt da ein ganz hervorragendes Buch, von dem ich hier schon mal schrieb.
Es erinnert mich auch an die Geschichte einer Bekannten, deren Familie ihre jüdische Abstammung derartig hinter den Antifaschismus stellten, dass sie selbiges auf den Grabstein der Großmutter meißeln ließen. Die Großmutter war ebenfalls nur eines: Jüdin. Sie war nie im Widerstand, nicht kämpferisch. Nur die Enkelin spricht heute darüber, nur die Enkelin hat die (jüdische) Familiengeschichte erforscht. Es ist ein Tabu in der Familie – wie in vielen anderen auch. Die Großmutter wurde verfolgt nicht wegen ihrer Taten, sondern wegen ihrer Abstammung. Sie hatte Glück, sie überlebte. Frau Rapoport hatte ebenso Glück, mehr Glück als andere. Sie konnte fliehen und ihren Abschluss in den USA machen, sie machte Karriere und sie hatte letztlich ein gutes Leben in der DDR. Dieses Glück hatten nur wenige. Jüdisches Leben in der DDR…es ist ein anderes Kapitel, und kein schönes. Juden in der DDR…ein noch viel unschöneres Kapitel…
Und bei mir? Ich habe eben diesen kommunistischen Urgroßvater, der ein Kämpfer war und sich nie hat die Stimme verbieten lassen. Er durchwanderte KZs bis er verschwand. Es gibt keine Spuren von ihm. Und er schützte uns dennoch zum Teil in der DDR. Davon bin ich bis heute überzeugt. Nur war er eines nicht: Jude.
Nicht zuletzt aber, und das aus vollem Herzen: Herzlichen Glückwunsch, Frau Dr. Rapoport!
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