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Buchbetrachtung: Fayvel der Chinese von Philippe Smolarski

Buchcover: Fayvel der Chinese. Aufzeichnungen eines wahnwitzigen Ganoven von Philippe Smolarski
Es gibt Bücher, die haben es irgendwie nicht so leicht. Es gibt Bücher, die gehen unter in der Masse, obwohl sie besseres verdient hätten. Und es gibt jene Bücher nicht eben nicht so sind, wie sie vielleicht sein sollten, wie manch einer meinen könnte. Ein solches könnte auch Fayvel der Chinese – Aufzeichnungen eines wahnwitzigen Ganoven von Philippe Smolarski sein. 
Ob es so ist, weiß ich nicht. Es erinnert mich etwas an das Buch „Die Vereinigung der jiddischen Polizisten“ von Michael Chabon. Die Buchpremiere, die ich damals in Berlin organisierte kam nicht bei jedem gut an – bzw. besser das Thema des Buches. Aber zurück zu Fayvel, der zum Glück nicht so ist, wie man sich gemeinhin gern „den Juden“ vorstellt: Er ließ sich ohne Gegenwehr zur Schlachtbank, resp. Gaskammer treiben. Smolarski gibt in den einführenden Worten bekannt, dass dieses Buch die Übersetzungen von Erinnerungen sind, Erinnerungen eines (jüdischen) Gangsters, der seine Geschäfte inzwischen in und von China aus führte, während Europa durch die Nationalsozialisten unterzugehen droht. Fayvel beschließt nach Polen zurück zu kehren und den Versuch zu wagen, seine dort noch lebende Familie zu retten. Wir reisen mit ihm nach Warschau, ins Ghetto. Erleben mit ihm dort die unterschiedlichen Welten von Geld und kein Geld, Festgelagen und Hunger. Kann er seine Familie retten? Er wird im Ghetto Maria retten, für ihren Vater ist es zu spät. Sie werden Warchau und dem Grauen dort zunächst entkommen. Werden bestechen, betrügen, lügen und töten um ihr Leben zu retten. War es so? Vielleicht. 
Bestechung war an der Tagesordnung. Auch so ein Punkt, über den sich heute so manch einer empört. So erlebt oft genug in der Gedenkstätte Blindenwerkstatt Otto Weidt: „Weidt hat die Gestapo bestochen? Das ist doch kriminell!“ Otto Weidt hat bestochen, ja und er hat damit Leben gerettet.  Eine meiner Kindheitslektionen: Du musst immer jemanden kennen, der nimmt, um zu überleben.
Fayvel ist ein großartiger sympatischer Mensch und er ist ein Gangster, ein berüchtigter. Er ist das Gegenbild zum „armen wehrlosen Juden“ mit dem man immer wieder konfrontiert wird. Er erzählt seine Geschichte spannend, mitreißend, voller Gefühl und Widersprüche. Die wunderbar liebevolle und bestimmt aufwändige Aufmachung des Buches durch den Liesmich Verlag macht es zudem zu einer Freude gelesen zu werden. So sind Übersetzungen z.B. jiddischer Worte fast wie in Handschrift an den Rand geschrieben. Ein einnotiertes Sternchen weist auf nähere Erläuterungen im Glossar hin, in dem man – so man möchte – noch mehr über die durchaus realen Protagonisten erfährt. Wunderbar erfrischend anders: Geschichte und Buch.
Das Buch ist fast ein Roadmovie. So ging es mir immer wieder durch den Kopf, dass es Stoff hat zum Film, sehr viel Stoff. Aber erstmal lieber lesen aus Papier oder als e-Book.  
Unbedingte Leseempfehlung.
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