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Der gute Ort von Floß

Der gute Ort von Floß
Eine Landstraße. Dort ein Ort. Kühe rechts. Eine Mauer links, dahinter Steine, alte Steine. Ein jüdischer Friedhof, ein guter Ort…
Still liegt er da, der Friedhof, wie aus einem Idyll, fast unversehrt wie es scheint. Das Gras noch grün. Eine rote Plakette informiert: Angelegt 1692. Zweimal erweitert. Letzte Beerdigung 1946. Insgesamt 451 Grabstellen. 

Es ist verhältnismäßig viel, was man erfährt an diesem Ort. Die Alemania Judaica informiert über die Geschichte, über die guten Zeiten und die schlechten. Die Schändungen vor und nach dem „Dritten Reich“. Man taucht weiter. Erfährt von der jüdischen Gemeinde Floß, die heute nicht mehr existiert, wohl aber ihre Synagoge, die heute ein Mal jährlich von einer Nachbargemeinde genutzt wird… was ist geblieben? Die Steine, immer wieder die Steine. Diese wurden ab 2006 dokumentiert. Ein Versuch, Namen und Bilder zu erhalten, die zur Geschichte der Region gehörten.

Ich frage mich, warum werden und wurden die Friedhöfe geschändet. Was bewegt Menschen an diesen friedlichen Orten, die doch andere Bedeutung für uns tragen, die Merkzeichen anderer Menschen zu zerstören? Ist es vielleicht das, dass unsere Friedhöfe, Orte des Bestehens sind. Dass unsere Friedhöfe nicht eingeebnet werden, dass sie von Leben zeugen, von Lebendigkeit und von Menschen, von Personen. Ist es vielleicht das, dass man hier der Juden habhaft werden kann, die man meint hassen zu müssen und ihnen doch nie real als lebenden Menschen begegnet, noch nie begegnet ist. Und ist es nicht so, dass Steine sich nicht wehren können. Dass sie nicht freundlich sein können, nicht das Hassbild zerstören, dass Juden so oder so seien? 
Der Jüdische Friedhof von Floß mit Mauer im Vordergrund. Foto: Juna Grossmann
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass an diesen Orten Frieden ist. Dass es gute Orte sind. Dass Steine als Zeugen stehen, liegen, zerfallen. Dass sie aber auch unsere Geschichte sind, eine Geschichte der Anwesenheit, der Integration
Jüdischer Friedhof Floß. Foto: Juna Grossmann

5 Kommentare

  1. Chajm Chajm

    Am Gräberverzeichnis war offenbar niemand beteiligt, der Hebräisch lesen konnte – man hat die einsprachigen Steine einfach nicht inventarisiert und statt dessen »Hebräisch« eingetragen… Das ist doch recht schade, gerade weil wir über einen jüdischen Friedhof sprechen.

  2. Andreas Froese Andreas Froese

    Jüdische Friedhöfe als sichtbare Zeugnisse von (langer) Anwesenheit, aber auch als Überreste eines selbstverständlichen, friedlichen Miteinanders: das scheinen mir hierbei zwei wichtige Themen zu sein.

    Aus den böhmischen Kronländern der Habsburgermonarchie, in denen nationalistische Scharfmacher im späten 19. Jahrhundert zum „Kulturstreit“ zwischen deutsch- und tschechischsprachigen Böhmen aufhetzten, ist dazu eine schöne Geschichte überliefert. Politische Vertreter beider Seiten fragten einen Rabbiner, welcher der beiden Seiten sich die Juden in den böhmischen Ländern zuwenden wollten. Daraufhin ging der Rabbiner mit ihnen zu einem jüdischen Friedhof, zeigte ihnen die dortigen Grabsteine und erklärte: „Wir Juden waren schon immer hier, wie ihr seht. Zeigt mir doch mal die Gräber eurer Vorfahren, die auch so weit in die Geschichte zurückreichen.“ Daraufhin sollen die nationalistischen Streithähne betreten von dannen gezogen sein.

    Diese Geschichte macht deutlich, warum extremistische Hetzer und Brandstifter damals und heute ein Problem mit jüdischen Friedhöfen haben. Und gleichzeitig beunruhigt es, wie aktuell, salon- und mehrheitsfähig die rechte Hetze in diesem Land nun wieder geworden ist.

  3. Juna Juna

    Ja, das ist auch so ein Gedanke gewesen…Danke für die Geschichte.

  4. Juna Juna

    Ja, es scheint mir auch eher eine Privatinitiative zu sein, immerhin. Am Anfang stand ja auch, dass man sich mit Übersetzungen gern zur Verfügung stellen könne…Vielleicht findet sich ja mal jemand, der das wieder aufnimmt. Aber München ist eben weit. Ich wüsste sonst nur die Gemeinde in Weiden, die den Friedhof ja auch mal irgendwann mitnutzten.

  5. Hoffmann Hoffmann

    Gräber werden heute oft schon nach 15 Jahren aufgelöst, früher mag das Grabnutzungsrecht länger gewesen sein. Ja, und deshalb kann man nur schwer christliche, atheistische, germanische und was auch immer Gräber vorzeigen.

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