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#11 „Bleiben Sie gesund und so vergnügt wie es geht. Trotz alledem.“

http://www.fischerverlage.de/buch/landgang/9783100001566
1982. Ich gehe noch nicht zur Schule. Die Welt ist noch heil. Ich erinnere mich an die Frage am Ostseestrand, wann ich zur Schule käme. Ich weiß nicht, was man damit meint. 
1982 ist das Jahr, in dem Stefan Berg einberufen wird in die NVA. Der einzige Weg, den Dienst an der Waffe zu verweigern ist der Weg als Bausoldat. Es sind die Jahre der immer stärker werdenden Kriegsbedrohung. Das Wettrüsten ist unermessliche Höhen geklettert. Und es sind die Jahre der Schriftstellertreffen zwischen Ost und West. 

Das erste Treffen verfolgte Stefan soweit es möglich war. Die Reden Günter de Bruyns beeindruckt ihn so sehr, dass er ihm schreibt. Hieraus entwickelt sich ein Briefwechsel, der auch die Zeit als Bausoldat überstehen hilft. Es ist die Zeit, in der Pazifismus in der doch friedenstrebenden DDR als Bedrohung gesehen wird, Literatur als Gefährlich und selbstdenkende Menschen als Gefahr überhaupt. Es ist die Zeit meiner Kindheit. Die Zeit der verbotenen Bücher, der verbotenen Menschen. 

Schnell habe ich dieses kleine Buch des Briefwechsels zwischen dem Schüler und dem Schriftsteller gelesen. Eine Welt entstand wieder vor meinem inneren Auge, die zum Glück vergessen war. Die aber auch mutige Menschen hervorbrachte. Menschen und Erinnerungen, denen heute wenig Beachtung geschenkt wird. In diesem Briefwechsel taucht auch das wieder auf, was ich so schwer in Worte fassen kann, was ich so schwer zu erklären fähig bin: die Rolle der Kirche in der DDR, der Friedensbewegung und der Pankower Kirche mit ihrem Friedenskreis. Der Unsinn, der wohl allen Armeen uns ihren Ritualen innewohnt genau so, wie die Hoffnung auf ein anderes Leben, Hoffnung noch in der Zeit, dass der geplante Militärdienst der Frauen in der DDR nicht kommen wird. Die Verwunderung über all die Widersprüche. In diesen 140 Seiten von Briefwechseln und Protokollen der Staatssicherheit, der Lehrer und Vorgesetzten taucht auch das komprimiert wieder auf. 

„Auch in der DDR ist man sich dessen bewußt, daß der Tod dieser zwischen Raketen lebenden 17 Millionen in Planspielen schon einkalkuliert ist, erschrickt deshalb vor allen Rüstungsvergrößerungsplänen, hat aber – schlägt man die Zeitungen auf – ein ungutes Gefühl, wenn DDR-staatlicherseits der Antikriegskampf der Christen, Pazifisten und Kriegsdienstverweigerer innerhalb der eigenen Grenzen verhindert wird.“

Günter de Bruyn, Rede bei der Berliner Begegnung zur Friedensförderung, 13./14. Dezember 1981

Ein kleines, wichtiges Buch. Danke dafür. 

Dieser Beitrag wurde in der NaBloPoMo-Reihe geschrieben, jeden Tag im Juli ein Post bloggen. Mehr dazu gibt es hier zu lesen.

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