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Der Tag im Verlorensein…

Noch immer war dieser Tag seltsam. Noch immer wunderte ich mich, dass sich alles noch dreht nach dem Fund der drei toten Jungs gestern. Die Stadt funktioniert wie eh und je. Der Irrsinn in der Ohlauer Straße noch immer nicht aufgelöst. Und gleichzeitig war ich irgendwie verloren. Verstört noch und dennoch dem Tag, den Plänen folgend: Die Eröffnung der neuen Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Einigermaßen erfreulich, dass der Widerstand der Roma, Sinti und Juden endlich nicht mehr unter den Tisch fällt. Thema für ein anderes Mal.

Der Tag scheint verwirrt zu sein, so wie ich auch…irgendwie glitt ich durch die Stadt wie durch einen Wattebausch und fand alles absurd und seltsam. Ich versuchte Erdung im Museum zu finden. Etwas, was meist funktioniert. Ich fuhr also ins DHM, die Ausstellung zum Ersten Weltkrieg ist in der Tat sehenswert, auch die Farbaufnahmen aus der DDR, die leider nur auf zwei Fotografen beschränkt sind. Ruhe und andere Welten dann im Alten Museum, zwischen Griechen, Römern, Etruskern. Gelassenheit, Entspannung. Eintauchen in andere Welten, andere Sichten…wieder fokussieren, versuchen all das da draußen für Momente aus dem Selbst zu drängen. Ein kleiner Gang rüber ins Pergamonmusuem. Erstaunlich leer.


Hier fand ich sie wieder. Meine Ruhe, in den Straßen von Babylon. Dort, wo ich als Kind schon glücklich war. Wo heute die Menschen drängen, selten Blick geben auf die blauen Steine auf die Fabelwesen, auf die Höhe, den Raum, ziehen sie mit ihren hygienisch überzogenen Audioguides durch die alten Gemäuer, sitzen auf Tempelstufen, erklimmen die Balkone von Balbeck.

Und ich? Ich spüre Verbindungen, Babylon. Das Land der Verschleppung. Babylon aber auch, das Land der Entwicklung, der Geschichten…und eben mit jenen Straßen Land der Träume meiner Kindheit. Jedes Mal, wenn ich dort bin entdecke ich. Die römischen Mumienabbildungen, einst im Bodemuseum, heute verstreut. Vertraute Gesichter sehen mich an. Ich mäandere durch die Räume und finde heute Schalen, die mir nie aufgefallen. Die Erklärung spricht von Aramäischen Zauberschalen, die Böses ins Haus holen sollen…und mit meinem doch eigentlich recht moderndem Hebräisch lese ich in einer Schale das Sch’ma. Ruhe umfängt mich. Das ist die Verbindung. Das Immerwährende. Das Zuhause.

Etwas ruhiger, besonnener zuhause der Drang, doch in die Parascha der Woche zu sehen. Selten geht es mir so. Immer, wenn ich durcheinander bin. Von allen Seiten scheint es zu prasseln dieser Tage. Die alten Geschichten bieten Stabilität. Künden davon, dass all das heute nichts Neues ist. Dass Menschen sich schon immer bekämpften, neideten aber auch liebten.

Beim Nachsehen, welche Parascha diese Woche fällig sei, dann dieser Zufallsfund hier: Parascha – Die Junge Tora. Der Tag bekommt Form und Ruhe. Die Freundin gleich zu besuch. Und dennoch. Ein Stück von mir ist heute Nacht wieder zerbrochen. Ein Stück Hoffnung…ein Stück Glauben an die Menschen.

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